Hexentage
schriller. »Ja, das habe ich!«
»Habt Ihr die schwarze Kunst der Hexerei ausgeübt? Habt Ihr damit anderen Menschen Schaden zugefügt?«
»Ja! Oh, Gott … ich gestehe es … ich bin eine Hexe.«
Zufrieden gab Voß dem Scharfrichter das Zeichen, Anna aus ihrer Strecklage zu befreien. Sie schrie noch einmal auf, als sie zu Boden stürzte, und blieb dann regungslos, aber heftig schnaufend liegen. Sie weinte bitterlich. Ihr Geständnis kam einen Todesurteil |228| gleich, doch wer konnte es ihr verdenken, unter einer solch gräßlichen Folter den Tod als Freund zu begrüßen? Ein unter diesen Umständen abgepreßtes Geständnis war augenscheinlich bedeutungslos. Trotzdem nahmen die Peinkommissare es mit ernsten, ungerührten Mienen für bare Münze.
Noch einmal schrie Anna laut auf, als Matthias Klare seinen Fuß in ihre Armbeuge preßte und den Arm mit einem schnellen Ruck wieder in das Gelenk drückte. Er renkte auch den anderen Arm ein, dann setzte Klare sie auf den Hocker und die Peinkommissare begannen mit der Suche nach dem Teufelsstigmata, einem auffälligen Zeichen, daß der Teufel seinem Opfer mit den Klauen bei der Besiegelung des Paktes eingeritzt hatte. Jakob konnte nicht genau erkennen, was die Männer taten, doch nach einer knappen Weile wandte sich Jobst Voß um und rief: »Notiert bitte, daß sich am linken Unterschenkel der Angeklagten ein vernarbtes Mal befindet, das nicht geblutet hat, als man mit einer Nadel hineinstach.«
Während Jakob dieses Ergebnis der Suche nach dem Stigmata niederschrieb, entfernte man Anna die Augenbinde und nahm das Verhör wieder auf.
»Wann hat sich Euch der Satan offenbart?« verlangte einer der Peinkommissare zu erfahren.
Anna hustete und verkrampfte sich auf dem Schemel, antwortete aber nicht.
»Ich wiederhole es noch einmal: Wann hat sich Euch der Satan offenbart? So sprecht endlich, Weib!«
Anscheinend rang Anna mit sich selbst, ob sie ihr unter extremen Schmerzen abgelegtes Geständnis aufrechterhalten sollte. Nach einigen Momenten des Zögerns sagte sie dann leise: »Ich werde nicht lügen. Niemals in meinem Leben habe ich einem Menschen etwas Schlechtes angetan. Gott allein soll mein Richter sein.«
»Ihr werdet schon bald vor Eurem Richter stehen«, warf Jobst Voß ein. Er hob übertrieben bedächtig seinen Becher zum |229| Mund und trank einen Schluck Wein. »Also widerruft Ihr Euer Geständnis.«
»Ich bin keine Hexe.« Anna betonte jedes einzelne Wort.
Voß verzog das Gesicht und wies den Scharfrichter an, die Tortur weiterzuführen.
Die Apothekerin wimmerte verzweifelt und schüttelte sich, als Klare ihr aufs neue die Augen verband und ihre Arme hinter dem Rücken fesselte. Wieder wurde sie langsam in die Höhe gezogen, bis die Arme aus den Gelenken brachen, doch dieses Mal ließ man sie dazu noch die Rute spüren, und drei Männer redeten gleichzeitig wütend und laut auf sie ein und bestürmten sie, ihre Schuld zu gestehen. Die Peinkommissare mußten ihre Stimme erheben, denn die Stockhiebe peitschten so laut, daß ihre Worte kaum zu verstehen waren.
Jakob fühlte sich benommen. Der Geruch von Blut und Schweiß sowie der süße, schwere Wein verursachten einen solchen Schwindel in seinem Kopf, daß er sich am Schreibpult festhalten mußte.
»Wann, Frau Ameldung, seid Ihr dem Bösen verfallen?« rief einer der Peinkommissare.
»In welcher Gestalt ist Euch der Satan entgegengetreten?«
»Habt Ihr die Schwarze Taufe empfangen?«
»Wie oft habt Ihr Zauberei angewandt?«
»Seid Ihr eine Hexe?«
»Ja!« kreischte die Apothekerin plötzlich wie wahnsinnig, woraufhin Matthias Klare die Rute sofort ruhen ließ.
»Wiederholt Eure Worte! Ich habe sie nicht genau verstanden«, verlangte Voß.
»Ich bin …« Anna Ameldung preßte die heiseren Worte hervor. »Ich … ich will heimgehen … zu meinen Töchtern.«
»Seid Ihr eine Hexe?« rief Voß nun so laut, daß Jakob unweigerlich zusammenzuckte.
Anna Ameldung antwortete nicht. Voß deutete auf einige Gewichte im hinteren Teil der Kammer, von denen ein grober |230| Metallklotz herangetragen und an Annas Füßen befestigt wurde, um ihre Qualen zu verstärken.
Die Apothekerin schnaufte heftig. Sie besaß nicht einmal mehr die Kraft zu schreien. Das Gewicht an ihren Füßen ließ ihre Knochen und Gelenke knirschen und spannte die Haut so sehr, daß Jakob schon befürchtete, es würde die gepeinigte Frau entzwei reißen.
»Seid Ihr der Macht des Teufels verfallen?« fragte Voß erneut.
Für ein
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