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Hexentage

Hexentage

Titel: Hexentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Wilcke
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über die Wasserprobe zum besten gab. Grave war zwar von der Macht des Teufels über die Menschen überzeugt, aber keineswegs dem |240| zügellosen Wahn verfallen, der die meisten Bürger blind für die Realität gemacht hatte.
    »Als man die armen Frauen dem beschämenden Wasserbad unterzog, habe ich zu Gott gebetet, er möge uns Menschen diese Willkür verzeihen«, meinte Grave und hob den Bierkrug an den Mund. »Solch eine Probe ist wider das erste Gebot Gottes und zudem völlig unsinnig, denn es gibt keinerlei kanonische oder weltliche Rechtsgrundlagen für das Hexenbad.«
    »Ich teile Euer Urteil, Magister Grave«, mischte sich nun auch Martin Gosling ein, der Jurist aus Münster. »Doch bedenkt, daß ein Einspruch gegen dieses Verfahren wenig Sinn haben würde, da der Rat in Bezug auf die Wasserprobe stets auf die alten westfälischen Gewohnheitsrechte verweisen wird.«
    Grave stieß lediglich ein verächtliches Schnauben aus; es war sein Sitznachbar Pechlin, der auf Goslings Einwand antwortete: »Mit Verlaub möchte ich darauf hinweisen, daß man sehr wohl geteilter Meinung darüber ist, ob man diese Gewohnheitsrechte in Osnabrück anwenden darf. Immerhin existieren keinerlei Überlieferungen, die eine Anwendung der Wasserprobe zwischen dem vierzehnten und dem Ende des sechzehnten Jahrhunderts erwähnen.«
    Grave untermauerte die Ausführung seines Amtsbruders mit einem heftigen Nicken. »Ich selbst habe noch mit Personen gesprochen, die mir aus eigener Erfahrung berichten konnten, daß die Wasserprobe in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts nur bei einem gewissen Teil der Beschuldigten angewendet wurde.«
    Albert Modemann, der dieser Diskussion interessiert gefolgt war, entfernte eine Gräte aus seinem Mund und legte sie neben dem Teller ab, bevor er selbst das Wort ergriff.
    »Meine Herren, ich glaube eine Auseinandersetzung mit dem Wasserbad, gleichgültig, ob dafür nun eine rechtliche Grundlage besteht oder nicht, wird uns in dieser Angelegenheit nicht mehr weiterhelfen. Das Bad wurde vollzogen, und der Rat rechtfertigt |241| damit die Einleitung des peinlichen Verhörs. Aber genau dieses Verhör ist es, dem wir unsere Aufmerksamkeit zuwenden sollten. Ich habe am heutigen Tag ein langes Gespräch mit Herrn Theis geführt, der als einziger in dieser Runde Augenzeuge der Befragung war, und wurde von ihm auf einige interessante Details hingewiesen, die uns helfen könnten, zumindest einen zeitweiligen Aufschub der Verhandlung gegen meine liebe Mutter und die ehrenwerte Frau Ameldung zu erreichen.« Er bedachte Jakob mit einem auffordernden Blick. »Aber Herr Theis sollte uns besser selbst berichten, was ihm während der Befragung aufgefallen ist.«
    »Vielleicht sollte uns unser junger Freund zuvor erläutern, warum er den Bürgermeister Peltzer, in dessen Haus er über Wochen gelebt hat, auf diese Weise hintergeht«, wandte Grave ein und machte so sein Mißtrauen offenkundig.
    Jakob räusperte sich. »Ich betrachte Euch als gebildeten und gottesfürchtigen Mann, Magister Grave. Und diese Attribute nehme ich ebenso für mich in Anspruch. Es stimmt, ich war bei meiner Ankunft in Osnabrück geblendet von der Ausstrahlung Eures Bürgermeisters, doch ich kann Euch versichern, es dauerte nicht lang, bis ich seine wahre Natur erkannte. Er schürt unter den Bürgern einen blinden Aberglauben.«
    »Und doch fördert Euch Peltzer und setzte Euch gar als Protokollschreiber während des peinlichen Verhöres ein«, erklärte Grave.
    »Ich nehme an, Peltzer wählte dies als Strafe für mich. Er hatte begriffen, daß ich an seinen Überzeugungen zweifelte, und wollte mir vor Augen führen, wie die beschuldigten Frauen unter der Folter zusammenbrechen und ihre Verbrechen eingestehen. Doch so wurde ich Zeuge einer Befragung, die mir die Unsinnigkeit dieser Schuldfindung deutlich vor Augen geführt hat.«
    Grave verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich kenne Euch nicht gut genug, um zu wissen, ob ich Euch vertrauen kann. Da |242| jedoch der hochgeschätzte Herr Modemann auf Euch zählt, will ich meine Zweifel vorerst beiseite schieben. Also berichtet uns, was Euch aufgefallen ist.«
    »Es gibt einige Punkte, die von Interesse sein dürften. Ich mag kein promovierter Jurist sein, aber ich habe mich dennoch eingehend genug mit der Carolina beschäftigt, um erkennen zu können, daß die Kommissare auf sträflichste Weise gegen verschiedene Artikel des Bürgerlichen Gesetzbuches verstoßen haben.«
    »Erläutert

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