Hexenzirkel - Robertson, L: Hexenzirkel - Persephone Alcmedi 02: Hallowed Circle

ich mich, ihm in die Augen zu sehen.
    »Der Strand, Red, er ist immer da. Bei Flut und bei Ebbe .«
    Auch ich musste unwillkürlich an Sand denken. In meinem Kopf herrschte eine gedankliche Wüste. Der Wüstensand war trocken und ohne Leben, Johnnys Strand, den er mir anbot, symbolisierte hingegen den Übergang von einer fruchtbaren Welt in die andere.
    Auch ohne Freud zu kennen, wusste ich, was das über uns verriet.
    Ich beugte mich vor und wollte ihm einen schnellen Kuss geben, aber seine Hand glitt in meinen Nacken und hielt mich fest. Seine Lippen waren weich und doch fest. Selbst seine Küsse waren aufrichtig. Langsam erhob ich mich und sammelte meinen Pyjama und meine zerrissene Unterhose auf. Dann floh ich auf zitternden Beinen, ohne ihm auch nur eine gute Nacht zu wünschen.

10
    Ich war so in Selbstzweifel versunken, dass ich ganz vergaß, den Wecker zu stellen. Ich verschlief den nächsten Morgen.
    Eilig lief ich die Treppe hinunter. Im Erdgeschoss blieb ich wie angewurzelt stehen. Johnny war dabei, etwas mit einem Lappen von der Couch zu entfernen. »Morgen, Red. Ich habe Kaffee verschüttet .« Er räusperte sich und zwinkerte mir zu. »Tut mir leid .«
    Ich hatte gar nicht daran gedacht, dass wir Flecken hinterlassen könnten.
    »Wenn es hiermit nicht rausgeht, versuche ich etwas anderes, okay ?« Er warf einen schnellen Blick in die Küche und kam dann auf mich zu, als wenn er mich umarmen oder küssen wollte.
    Ich wich zurück.
    Er blieb stehen.
    »Ist nicht schlimm « , stammelte ich. »Das ist eine Husse, die kann ich waschen .«
    »Alles in Ordnung mit dir ?« , flüsterte er, offensichtlich verwirrt.
    »Ich … ich will nicht, dass Nana etwas merkt « , flüsterte ich zurück. »Sonst zieht sie mich noch gnadenlos damit auf .«
    »Endlich wach, Seph ?« , drang Nanas krächzende Stimme aus der Küche.
    »Ja .«
    Obwohl ihm seine Enttäuschung anzusehen war, nickte Johnny mir zu, als wollte er sagen: »Jetzt geh schon .« Ich eilte den Flur hinunter. Beverly packte gerade ihre Butterbrotdose, verziert mit dem Bild eines Einhorns, in ihre Schultasche. Ich musste daran denken, wie sie diese Dose an sich gedrückt hatte, als wir ihre Sachen aus ihrer alten Wohnung geholt hatten. Mitgefühl überkam mich. Sie hatte mir erzählt, dass Lorrie ihr immer Brote geschmiert und nie vergessen hatte, einen Cartoon aus der Zeitung mit hineinzulegen. Ich fragte mich, ob ihr ihre Butterbrotdose jetzt, da sie bei mir wohnte, leerer vorkam.
    »Na, Schlafmütze « , sagte sie.
    »Tut mir leid .«
    »Ich habe ihr das Mittagessen schon eingepackt « , sagte Nana. Am anderen Ende der Arbeitsplatte qualmte ihre Zigarette in einem runden Aschenbecher vor sich hin. »Zähne putzen nicht vergessen !« Das war wieder an Beverly gerichtet.
    »Ach ja .« Sie rannte den Flur entlang und die Treppe hinauf.
    Ich beschloss, ein Buch mit Kinderwitzen zu kaufen und daraus jeden Tag einen Witz zu kopieren, um ihn in Beverlys Butterbrotdose zu legen. Es wäre nicht das Gleiche, was ihre Mutter getan hatte, hätte aber doch Ähnlichkeit. Ich nahm mir fest vor, das Buch noch heute zu besorgen. »Danke, Nana. Ich hatte vergessen, den Wecker zu stellen .«
    Johnny kam in die Küche und warf den Lappen in die Wäsche.
    »Hast du eigentlich vor, den ganzen Winter über hier zu wohnen, Johnny ?«
    Wir hoben beide die Köpfe.
    »Ehrlich gesagt, Demeter, habe ich noch gar nicht so weit gedacht .« Er ging zu ihr. »Aber da die Schutzbanne ja jetzt wieder funktionieren, muss ich mir wohl keine Sorgen mehr machen, dass dieser Vampir und sein Lakai wiederkommen könnten .«
    Da war es wieder: »Dieser Vampir « . Und mit »Lakai « meinte Johnny wohl Goliath, Menessos’ rechte Hand.
    »Ich glaube, ich könnte wirklich wieder zurück in meine Wohnung ziehen .« Er warf mir einen schnellen Blick zu, um zu sehen, wie ich die Idee fand.
    Und, wie fand ich die Idee? Die Göttin stehe mir bei, ich wusste es nicht. Ich musste dringend mit Amenemhab sprechen, um mir über meine Gefühle klar zu werden.
    »Bist du meine Kochkünste etwa schon leid ?« , fragte Johnny Nana.
    »Oh nein! Ich hatte nur angenommen, dass die gebrochenen Schutzbanne der einzige Grund waren, warum du zu uns gezogen bist. Aber da sie ja seit einer Woche wieder aktiviert sind, muss es anscheinend etwas anderes sein .«
    Sie wusste es. Ich atmete tief durch. Oder sie hatte den Blick bemerkt, den wir eben miteinander gewechselt hatten.
    »Du hast recht « , sagte er ungezwungen,