Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
»Und?«
»Ich habe die Kiste magisch gesichert, bevor ich … bevor ich starb«, erklärte Mahoney stockend. »Es gibt nur einen einzigen Menschen auf der Welt, der sie öffnen kann. Alle anderen würden sterben, wenn sie es auch nur versuchten. Selbst ich.«
»Dann …«
»Dein Plan hätte keinen Erfolg gehabt, Howard«, fuhr Mahoney ungerührt fort. »Du hast versucht, Robert vom Meer fernzuhalten, weil du Angst hast, dass Yog-Sothoth noch immer hier lauert und Gewalt über ihn erlangen könnte. Aber er ist der einzige Mensch, der das magische Siegel brechen kann.« Er wandte sich an mich. »Tu es, Robert. Schnell.«
Ich kniete gehorsam neben Howard nieder, streckte die Hand unter der Decke hervor und zögerte, Millimeter, bevor meine Finger das verquollene Holz der Kiste berühren konnten. Mein Herz begann zu jagen.
»Was … was muss ich tun?«, fragte ich.
»Nichts«, antwortete Mahoney/Andara. »Offne sie, das ist alles. Dir wird nichts geschehen.«
Ich nickte. Aber meine Hände zitterten so stark, dass ich Mühe hatte, den einfachen Schnappverschluss der Kiste zu öffnen. Instinktiv schloss ich die Augen. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte – einen tödlichen Blitz, einen Dämon, der aus der Kiste sprang und mich verschlang, eine Feuersäule, die vom Himmel stürzte – ich hatte das sichere Gefühl, dass irgendetwas Schreckliches und Furchtbares geschehen müsse, wenn ich die Kiste öffnete.
Aber es geschah nichts. Die Verschlüsse schnappten mit einem metallischen Klicken auf, und der graue Deckel der wuchtigen Kiste schwang wie von Geisterhand bewegt nach oben.
Mahoney stieß einen hellen, keuchenden Laut aus, fiel neben mir in den Sand und beugte sich über die Kiste. »Sie sind unbeschädigt!«, keuchte er. »Bei Gott, Robert, du hast es geschafft!«
»Hast du daran gezweifelt?«, fragte Howard lauernd.
Mahoney ignorierte ihn. »Schnell jetzt«, sagte er. »Tritt zurück, Robert!«
Ich gehorchte. Mahoney beugte sich über die Kiste, wühlte einen Moment darin herum und förderte ein schmales, in uraltes hartes Schweinsleder gebundenes Buch zutage. Aber er schlug es nicht auf, wie ich erwartet hatte, sondern richtete sich nur mit einem triumphierenden Keuchen wieder auf und sah Howard und mich an. Seine Augen leuchteten. »Ich habe sie«, murmelte er. »Howard, ich habe sie wieder. Weißt du überhaupt, welche Macht diese Bücher bedeuten?«
Howard stand langsam auf. Seine Bewegungen wirkten gezwungen steif. »Ich weiß es, Roderick«, sagte er. »Was ist mit Robert?«
Mahoney/Andara sah erst ihn, dann mich mit einem sehr sonderbaren Blick an und lächelte plötzlich. »Sicher«, sagte er – mit einer Betonung, als rede er über etwas, das ihm um ein Haar entfallen wäre. »Das müssen wir ja auch noch erledigen.« Er hob die Hand und hinter ihm trat erst eine, dann noch eine zweite Gestalt aus dem zersplitterten Wrack des Schiffsrumpfes.
Howard und ich schrien fast im gleichen Moment auf. Die Blitze tauchten den Strand in taghelles, weißes Licht, Licht, das hell genug war uns die beiden Gestalten fast überdeutlich erkennen zu lassen.
Nur eine von ihnen war ein Mensch. Die andere …
Howard stöhnte. »Roderick«, murmelte er. »Das … das ist …«
»Ein Shoggote«, sagte Mahoney ruhig. »Aber keine Angst, Howard – er wird euch nichts tun. Komm her, Robert.«
Ich wollte es nicht. Alles in mir schrie danach herumzufahren und zu rennen, so schnell und so weit ich konnte, aber Mahoney/Andaras übermächtigem Willen hatte ich nicht das Geringste entgegen zu setzen. Langsam wie eine Marionette, an deren Fäden ein unsichtbarer Spieler zog, richtete ich mich auf und ging auf Mahoney und den grauen Koloss hinter ihm zu.
»Roderick«, stöhnte Howard. »Was … was hast du vor?«
»Das einzig Mögliche«, antwortete Mahoney. »Vertrau mir, Howard. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, Robert zu retten.«
»Aber das ist … ein … ein Shoggote«, keuchte Howard. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie er sich zu bewegen versuchte, aber so wie ich schien er nicht mehr Herr seines eigenen Körpers zu sein.
Mahoney hob abermals die Hand. Der Shoggote setzte sich gleitend und wabbelnd in Bewegung, kam in einer absurden Parodie menschlicher Schritte auf mich zu und streckte die Arme aus.
Die Berührung traf mich wie ein elektrischer Schlag. Dünne, glitzernde graue Fäden wuchsen aus dem Leib des Plasmawesens, drangen nahezu mühelos durch die Decke, in die ich mich eingewickelt hatte,
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