Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit
Recht«, sagte er leise. »Ich … habe mir den ganzen Tag über Vorwürfe gemacht, Robert. Ich hätte es dir sagen sollen. Aber …«
»Schon gut«, unterbrach ich ihn. Meine Worte taten mir bereits wieder leid.
»Nein, du hast Recht«, beharrte Howard. »Ich hätte es dir sagen müssen. Es war bei deinem Vater das gleiche, damals. Er wusste es.«
»Und warum hast du es nicht getan?«
Howard lächelte traurig. »Warum?«, wiederholte er. »Ich weiß es nicht. Vielleicht … vielleicht hatte ich einfach Angst.«
»Aber wir können es besiegen?«, fragte ich. Plötzlich bebte meine Stimme. Ich hatte mir bis jetzt mit verzweifelter Kraft einzureden versucht, dass ich keine Angst hatte, aber das stimmte nicht. Innerlich zitterte ich vor Furcht, mehr denn je.
»Dein Vater hat es geschafft«, antwortete Howard. »Und vor ihm andere, wenn auch nicht viele.«
»Und wenn … nicht?«
»Wenn nicht?«, wiederholte Howard. »Ich weiß es nicht, Robert. Wenn nicht, dann …«
»Dann wird dieses Ding Gewalt über mich erlangen, und ich werde selbst zu einem GROSSEN ALTEN werden«, sagte ich, als er nicht weitersprach.
Howard sah mich einen Moment ernst an, senkte den Blick und nickte. »Ich muss nach oben«, sagte er plötzlich. »Rowlf bekommt die Taue nicht allein los, bei dem Sturm.« Er wollte an mir vorüber und zur Treppe gehen, aber ich hielt ihn zurück.
»Ich möchte, dass du mir etwas versprichst«, sagte ich.
»Was?«
»Wenn es … euch nicht gelingt«, sagte ich stockend. »Wenn du merkst, dass ich den Kampf verliere und … und nicht mehr ich bin, dann töte mich. Ich will lieber sterben als zu einem solchen Monster zu werden.«
»Red keinen Unsinn. Du …«
»Es ist kein Unsinn, Howard. Ich meine es ernst.«
»Wir werden es schaffen«, beharrte Howard. »Jetzt, wo Roderick bei uns ist, werden wir es schaffen. Und jetzt setz dich irgendwo hin und warte einfach ab. Und bleib von den Fenstern weg.« Behutsam löste er meine Hand von seinem Arm, schob mich aus dem Weg und eilte die Treppe hinauf.
Ich blieb allein in der Kabine zurück. Über mir erfüllten die Schritte Howards, Rowlfs und Mahoneys das Deck, ab und zu unterbrochen von einem dumpfen Poltern und Krachen oder einem gerufenen Wort. Ich spürte wie das Boot stärker zu zittern begann, als sich die Haltetaue eines nach dem anderen lösten und die Wellen das Schiff stärker anheben und gegen das Kai drücken konnten, und trotzdem nahm ich von alledem kaum etwaswahr. Wie betäubt hockte ich da, starrte in die Dunkelheit und versuchte Ordnung in das Chaos zu bringen, das hinter meiner Stirn herrschte.
Mein Vater war zurückgekehrt! Es war nicht das erste Mal seit seinem Tode, dass ich ihn sah – er war mehrmals erschienen, mal nur als Stimme, mal als Bild in einem Spiegel, oder als Schemen, der verschwand, ehe man ihn richtig sehen konnte – aber jetzt war er wirklich zurückgekehrt …
Ich hätte mich freuen sollen. Ich hätte vor Erleichterung jubeln und an Deck laufen und ihm um den Hals fallen sollen, aber ich konnte es nicht. Vielleicht, weil ich trotz allem das Gefühl gehabt hatte, einem Toten gegenüber zu stehen, als ich ihn erkannte.
Die Planken unter meinen Füßen begannen stärker zu zittern, und plötzlich legte sich das Boot so heftig auf die Seite, dass ich hastig nach Halt greifen und mich festklammern musste, um nicht schon wieder zu Boden zu stürzen. Der Klang der Wellen, die gegen die Bordwand stießen, änderte sich, als die Wogen es nicht mehr seitlich, sondern frontal trafen.
Dann fuhren wir los.
Ich weiß nicht, wie lange wir unterwegs waren – eine Stunde, vielleicht auch zwei oder drei; es war unmöglich, die Zeit zu schätzen, in dem tobenden Chaos, das das Schiff einhüllte. Das Boot hüpfte wild durch Wellentäler und über die Kämme der schaumgekrönten Wogen, und das Heulen des Sturmes war noch wütender und lauter geworden. Der schmale Rumpf erbebte ununterbrochen unter den Schlägen der Wogen, und rings um das Schiff fuhr Blitz auf Blitz auf die aufgewühlte Wasseroberfläche herab, so dicht, dass ich das helle elektrische Zischen hören konnte, mit dem sie sich entluden. Ein paarmal nahm das Toben der Elemente ab, aber nur, um gleich darauf neu und mit doppelter Wucht wieder loszubrechen.
Schließlich, nach einer Ewigkeit, näherten wir uns wieder der Küste. Ich hörte das dumpfe Krachen, mit dem die Wogen gegen den Fuß der gewaltigen Steilküste schlugen, und das Geräusch weckte Erinnerungen in
Weitere Kostenlose Bücher