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Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mir, Bilder, die mein Bewusstsein überfluteten, ohne dass ich mich dagegen wehren konnte: Ich sah ein Schiff, einen stolzen alten Viermaster, die Segel in Fetzen von den Rahen hängend, schon halb zerbrochen unter den Hieben des Windes, der schnell wie ein Pfeil durch die aufgepeitschte See auf die Küste und die vorgelagerte Barriere aus Riffen zuschoss, und wie damals glaubte ich noch einmal die entsetzten Schreie der Mannschaft zu hören, als sie begriffen, dass ihre Fahrt zu schnell war und sie entweder an den Riffen oder der Felswand dahinter zerbersten würden. Ich versuchte die Bilder abzuschütteln, aber es ging nicht; im Gegenteil. Die Vision wurde immer bedrückender und realer, und …
    Eine Hand berührte mich an der Schulter und als ich aufsah, blickte ich in Howards Gesicht. »Alles in Ordnung?«, fragte er leise.
    Ich nickte. »Es … geht wieder.«
    »Wieder diese Visionen?«, fragte er.
    Einen Moment lang überlegte ich, ob ich ihm die Wahrheit sagen sollte, aber dann nickte ich nur. Es spielte keine Rolle, welcher Art die Bilder waren, die mich quälten, und wir hatten keine Zeit für lange Gespräche.
    »Wir sind fast da«, sagte er. »Maho … dein Vater möchte, dass du an Deck kommst.«
    Irgendetwas am Klang seiner Stimme ließ mich aufhorchen. »Du traust ihm nicht«, behauptete ich.
    Howard seufzte. »Doch«, antwortete er. »Ich weiß, dass er es ist, Robert. Ich weiß es so sicher, wie du es weißt. Aber …«
    Er sprach nicht weiter, aber das war auch nicht nötig. Er spürte das gleiche wie ich. Dieser Mann war mein Vater, und doch war er anders, als wir beide ihn gekannt hatten. Vielleicht war es die Welt, in der er jetzt existierte, die ihn verändert hatte.
    Ich verscheuchte den Gedanken, stand auf und wollte zur Treppe gehen, aber Howard hielt mich noch einmal zurück. »Warte«, sagte er. Ich blieb stehen und Howard ging an mir vorbei in den hinteren Teil der Kajüte und kam nach wenigen Augenblicken mit einer zusammengefalteten Decke zurück.
    »Was soll ich damit?«, fragte ich.
    »Sie dir überwerfen«, antwortete Howard ungeduldig. »Ich weiß, dass es albern klingt, aber es könnte wirklich gehen. Draußen tobt noch immer das Gewitter und es sieht nicht so aus, als würde es in den nächsten Stunden nachlassen. Nun mach schon.«
    Ich starrte ihn einen Moment zweifelnd an, griff dann zögernd nach der Decke und warf sie mir über den Kopf. Howard ging einmal um mich herum, zog hier und zupfte da ein wenig und arrangierte die Decke so lange neu, bis ich vermummt war, als wolle ich zu einem Maskenball gehen und dort als Nachtgespenst spielen. Nur direkt über meinen Augen war ein fingerbreiter Streifen frei, sodass ich wenigstens sehen konnte, wenn auch nicht sehr gut. Trotz des Ernstes der Situation kam ich mir reichlich albern vor.
    »Gut«, sagte er schließlich. »Komm jetzt.«
    Nebeneinander gingen wir die Treppe hinauf. Mir fiel erst jetzt auf, dass das Schiff längst nicht mehr so sehr unter unseren Füßen bockte und sprang wie bisher. Eigentlich war kaum mehr als der normale Seegang zu spüren. Howard öffnete die Tür, trat ins Freie und bedeutete mir mit hektischen Zeichen ihm zu folgen.
    Der Anblick, der sich uns bot, war bizarr. Über dem Meer hinter und neben uns tobte der Orkan mit ungebrochener Wut, aber rings um das Schiff, in einem Bereich von sieben-, achthundert Yards, war das Meer glatt wie ein Spiegel. Selbst der Wind war zum Erliegen gekommen. Die Steilküste lag vor uns, kaum noch einen Steinwurf entfernt, und der Sturm, der das Land überall meterhoch unter Wasser gesetzt hatte, hatte hier ein vielleicht hundertfünfzig Yards langes, sichelförmig gebogenes Stück des Strandes freigegeben.
    Und auf dem Strand lag ein Schiff.
    Es war zerstört, so gründlich, wie ich jemals ein zerstörtes Schiffswrack gesehen hatte, nicht mehr als ein zerborstener Haufen aus Holzsplittern und Tauwerk und Fetzen, aber ich erkannte es trotzdem wieder.
    »Die … LADY!«, keuchte ich. »Howard, das … das ist die LADY OF THE MIST.«
    Howard nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. Trotzdem fragte er: »Bist du sicher?«
    »Ja. Das hier ist … die Bucht, in der das Schiff gesunken ist.« Mein Blick wanderte am Fuße der Steilküste entlang, suchte in den Schatten und Rissen nach einer bestimmten Form und blieb an einem dreieckigen schwarzen Schatten hängen.
    »Das dort drüben ist die Höhle, in der mein Va …« Ich stockte, schluckte ein paarmal krampfhaft und sah zu

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