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Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers

Titel: Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Mann unbestimmbaren Alters standen frierend neben den Gleisen. Das Ehepaar verschwand irgendwo im hinteren Teil des Zuges, wo die Wagen der zweiten und dritten Klasse waren, während der Mann einen Moment lang unschlüssig stehen blieb, sich plötzlich mit einem Ruck umwandte und zielstrebig auf mein Abteil zusteuerte. Ein Schwall eisiger Luft und Feuchtigkeit drang herein, als er die Tür öffnete.
    Ich nickte ihm zu, wie es die Höflichkeit verlangt, wenn man einen Fremden während einer Bahnfahrt trifft, und wollte ebenso höflich den Blick wieder abwenden – aber dann fiel mir irgendetwas an ihm auf. Ich konnte nicht sagen, was es war, aber irgendetwas an ihm war sonderbar. Ich vermochte den Gedanken nicht gleich zu fassen, aber irgendwo hinter meiner Stirn begann eine schrille Alarmglocke anzuschlagen, als der Mann mit seltsam eckigen Bewegungen in das Abteil kletterte und die Tür hinter sich schloss.
    Dann wusste ich, was es war.
    Er war zu schwer. Die Bodenbretter ächzten unter seinem Gewicht, als hätte er Blei gefrühstückt, und die Wucht, mit der er die Zugtür schloss, ließ das Glas klirren, obwohl die Bewegung eher langsam war. Instinktiv richtete ich mich ein wenig im Sitz auf und musterte ihn genauer.
    Der Mann drehte sich herum, erwiderte meinen Blick für die Dauer eines Atemzugs mit steinernem Gesicht und sich in den Sitz genau mir gegenüber fallen. Die Bank zitterte wie unter einem Hammerschlag. Ich glaubte die Sprungfedern in den Polstern unter seinem Gewicht ächzen zu hören. Er musste der schwerste Mann sein, dem ich jemals begegnet war. Dabei war er nicht einmal so groß wie ich und sogar noch eine Spur schlanker.
    Plötzlich wurde ich mir der Tatsache bewusst, dass ich den Fremden noch immer unverwandt anstarrte, lächelte entschuldigend und wandte hastig den Blick ab. Mein Gegenüber war nicht ganz so höflich – er starrte mich weiter mit unbewegtem Gesicht an, und obwohl ich mich fast krampfhaft bemühte, nicht in seine Richtung zu sehen, spürte ich seinen Blick mit fast unangenehmer Deutlichkeit.
    Von draußen ertönte wieder der schrille Pfiff der Lokomotive. Ein erster, noch sanfter Ruck ging durch den Zug, dann fassten die Räder und der Zug fuhr an.
    Als ich wieder aufblickte, starrte mich der Fremde noch immer an. Diesmal hielt ich seinem Blick stand; wenn auch nicht sehr lange. Der Blick seiner grauen, blitzenden Augen war … unangenehm. Sie sahen gar nicht aus wie lebende Augen, sondern wirkten vielmehr wie bunt bemalte Glaskugeln und die Härte, die ich darin las, ließ mich schaudern.
    Schließlich senkte ich ein zweites Mal den Blick, griff nach der Zeitung neben mir und tat so, als lese ich. Aber ich spürte seinen Blick weiter.
    Schließlich wurde es mir zu bunt. Mit einer Geste, die selbst dem dümmsten Trottel klargemacht hätte, dass meine Geduld am Ende war, senkte ich die Zeitung und blickte mein Gegenüber feindselig an. »Excusez-moi, Monsieur«, begann ich, wurde aber sofort von dem Fremden unterbrochen.
    »Sie können ruhig Englisch sprechen, Mister«, sagte er und entblößte dabei ein wölfisches Gebiss, das wie poliertes Silber blitzte. »Das erleichtert die Sache. Ich spreche Ihre Sprache.«
    Ich nickte überrascht. Meine Französischkenntnisse waren mit den beiden Worten, die ich gesagt hatte, in der Tat so gut wie erschöpft, aber der hochmütige Ton, in dem der Bursche sprach, brachte irgendetwas in mir zum Kochen. Er war nicht einmal aggressiv – aber er sprach mit einer Kälte, als wäre sein Stimmapparat aus dem gleichen Stahl, aus dem sein unappetitliches Gebiss bestand. Trotzdem schluckte ich die scharfe Entgegnung, die mir auf den Lippen lag, noch einmal herunter, bedachte die Silberzähne meines Gegenübers mit einem bewusst angewiderten Blick und fragte: »Woher wissen Sie, dass ich Engländer bin?«
    »Sie lesen eine englische Zeitung«, antwortete er.
    »Scharf beobachtet.«
    »Nicht besonders«, sagte der Fremde. »Es fällt auf, wenn jemand in Frankreich eine englische Zeitung liest. Ich bin nicht dumm.«
    Diesmal kostete es mich wirklich meine ganze Selbstbeherrschung, ihm nicht die Antwort zu geben, die er verdiente.
    Wütend faltete ich die Zeitung ganz auseinander, lehnte mich in die Polster zurück und hielt das Blatt vor das Gesicht, um wenigstens seinem unangenehmen Blick entzogen zu sein.
    Aber mein eisenzähniger Mitreisender gab nicht so leicht auf. Zwei, vielleicht drei Minuten lang spürte ich seine bohrenden Blicke durch das

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