Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers
Ihrer Begleitung. Vielleicht habe ich sogar Ihren ganzen verdammten Orden vor dem Untergang gerettet und das wissen Sie. Mit einem Dankeschön allein kommen Sie mir nicht davon.«
Es dauerte lange, bis Balestrano antwortete. »Und was verlangen Sie?«, fragte er, obwohl er die Antwort so gut kannte wie ich.
»Howard«, sagte ich. »Sie werden Howard in Ruhe lassen. Ich brauche Ihre Pflege nicht, so wenig wie Ihre Dankbarkeit. Alles, was ich verlange, sind frische Kleider und eine Kutsche, die uns zurück nach Paris und zum Bahnhof bringt. Howard und Rowlf und ich fahren noch heute zurück nach London. Und Sie werden diese teuflische Menschenjagd abblasen, die Sie seit zehn Jahren veranstaltet haben.«
Balestrano antwortete nicht, sondern sah mich nur weiter ernst und voller Trauer an. Aber es war auch nicht nötig, dass er irgendetwas sagte. Ich las die Antwort in seinen Augen. Jean Balestrano war ein mächtiger Mann und er war ein harter Mann. Vielleicht der härteste und mächtigste Mann, der in diesem Teil der Welt lebte. Aber er war auch ein Ehrenmann.
Ich wusste, dass er seine Schuld begleichen würde.
Aber ich war mir nicht sicher, ob wir noch Freunde sein würden, wenn wir uns das nächste Mal trafen.
»Ratten!« John Penwicks Stimme zitterte in einer Mischung aus Triumph und grimmiger Befriedigung, während er den Stiel seiner Schaufel immer und immer wieder auf die Ratte heruntersausen ließ.
Das Tier war längst tot, aber Penwick schlug noch fast ein halbes Dutzend Mal zu, ehe er die Schaufel endlich schwer atmend sinken ließ, einen Schritt von dem frisch ausgehobenen Grab zurücktrat und sich kampflustig umsah. Seine schwieligen Hände umspannten den Schaufelstiel viel fester, als nötig gewesen wäre.
»Ratten!«, sagte er noch einmal. »Wie ich diese Biester hasse! Nicht einmal die Toten können sie in Frieden lassen.«
»Ganz besonders die nicht«, sagte Rowland, sein Begleiter und Kollege. »Die haben sie zum Fressen gern, weißt du?«, fügte er spöttisch hinzu.
Wie Penwick war auch er ein Mann jenseits der Fünfzig, und wie er war er von kleinem, stämmigem Wuchs, jedoch früher ergraut; sein linkes Bein war etwas kürzer gewachsen als das andere und auch sein linker Arm wies bei genauerem Hinsehen eine leichte Beeinträchtigung auf. Anders als Penwick hatte er Zeit seines Lebens als Totengräber auf dem kleinen Friedhof von St. Aimes gearbeitet; die einzige Beschäftigung, die ein Krüppel wie er in einem an Arbeit nicht reich gesegneten Land finden konnte, ohne dabei ständig schief angesehen oder verlacht zu werden.
»Verdammte Biester!«, murrte Penwick, spie aus und stieß die tote Ratte mit der Fußspitze über den Rand der zwei Meter langen und ebenso tiefen Grube, die Rowland und er im Laufe des Nachmittages ausgehoben hatten. »Die Vorstellung, dass ich selbst eines Tages da unten liegen und von diesen Viechern angeknabbert werden könnte, macht mich jetzt schon krank.«
»Bloß keine Angst«, erwiderte Rowland grinsend. »So ein Sarg ist ganz schön stabil. Bis sie sich durchgefressen haben, haben die Würmer schon das Gröbste erledigt.«
Er kicherte, als er sah, wie Penwicks Gesicht bei dieser Vorstellung einen deutlichen Ton heller wurde, sah noch einmal zu der toten Ratte auf dem Grund des frisch ausgehobenen Grabes hinab und spähte dann mit schräg gehaltenem Kopf in den Himmel. Es wurde früh dunkel an diesem Abend und vom nahen Meer trieben schwere, bauchige Regenwolken heran. Es war kalt. Zu kalt für einen August, selbst für die Kummer gewöhnten Bewohner der englischen Kanalküste.
»Machen wir Schluss für heute«, sagte er. »Die Beerdigung ist morgen erst um elf. Den Rest können wir vorher erledigen.«
Penwick schien widersprechen zu wollen, besann sich dann aber eines Besseren und schwang sich die Schaufel wie ein Gewehr über die linke Schulter.
Nebeneinander gingen die beiden Männer zwischen den verwilderten Grabreihen des kleinen Friedhofes hindurch auf den windschiefen Schuppen zu, der verborgen hinter einer Hecke am jenseitigen Ende des Geländes stand.
Rowland zog einen übergroßen, rostigen Schlüssel aus der Tasche, sperrte die Tür auf und riss ein Streichholz an, mit dem er die Kerze direkt neben dem Eingang entzündete.
Der flackernde Lichtschein enthüllte ein Durcheinander von Eimern, Blumentöpfen, Schubkarren, halbfertigen Grabsteinen und verwitterten Platten, unordentlich übereinander geworfenen Werkzeugen und grauen
Weitere Kostenlose Bücher