Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers
kämpfen. Meine magischen Kräfte, die mich schon mehrmals aus brenzligen Situationen herausgeholt hatten, versagten hier. Geistlose Maschinen waren gegen Hypnose ziemlich immun.
Aber ich war verzweifelt genug, es zu versuchen. Wenn man ertrinkt, greift man sogar nach einer Seifenblase, wenn gerade kein Strohhalm bei der Hand ist.
Mit aller Macht konzentrierte ich mich, starrte den weißen König an und fühlte … nichts.
Natürlich nichts. Was hatte ich erwartet? Die einzigen Lebewesen dort unten waren Howard und de Laurec. Alles andere waren Maschinen.
Die einzigen Lebewesen?
Es dauerte eine endlose Sekunde, bis ich begriff. Wie in einer blitzartigen Vision sah ich noch einmal das glatte, so täuschend echte Gesicht Eisenzahns vor mir, spürte noch einmal den Unglauben, als ich begriff, dass er kein Lebewesen war, sondern ein Automat …
Und dann dauerte es noch einmal eine Sekunde, bis ich meinen Schrecken überwand und mich nach vorne warf; so heftig, dass die steinerne Brüstung unter meinem Anprall bebte.
»Howard!«, schrie ich mit überschnappender Stimme. »Die Dame! Vernichte die Dame. Sie ist eine Maschine!«
Meine Stimme ging fast im Bersten eines weiteren, gewaltigen Donnerschlages unter, aber Sarim fuhr trotzdem mit einem wütenden Zischen herum und auch Howard erstarrte für eine endlose Sekunde. Dann flammten seine Augen auf und ein grauenhafter Schrei brach über seine Lippen.
»Craven!«, brüllte de Laurec. »Halten Sie sich raus, oder -«
»Springer B8 auf C6«, sagte Howard laut. »Schach!«
Sarim fluchte, starrte mich einen Moment hasserfüllt an und wirbelte dann herum. »König E5 auf E6«, sagte er. »Das nutzt dir nichts mehr, Howard. Gib auf.«
»Springer C6 auf D4«, erwiderte Howard. »Schach.«
De Laurec fluchte noch lauter, ballte die Fäuste und starrte zu mir herauf, als wolle er mich mit Blicken töten. »König E6 auf E7«, sagte er. »Was soll das, Howard? Du bekommst mich nicht.«
»Nein?«, fragte Howard kalt. Von seiner Schwäche war nichts mehr geblieben. Hoch aufgerichtet stand er da und starrte abwechselnd de Laurec und seinen König an. Aber seine Stimme bebte, als er weitersprach. »Vielleicht habe ich dich schon, Bruder. Auf diesen Zug bist du schon vor zehn Jahren immer wieder hereingefallen. Wie ich sehe, hast du nichts dazugelernt.« Er hob die Hand und deutete auf seinen Springer.
»Springer D4 auf F5, Sarim. Schach und Gardez.«
Seine Figur führte den Zug gehorsam aus und de Laurec stieß einen gellenden Wutschrei aus, als zwei dünne, knisternde Blicke aus den Augen des Stahlpferdes schossen und seinen König und seine Dame gleichzeitig trafen. Von draußen ertönte ein ungeheuerlicher Donnerschlag, wie um seine Worte zu unterstreichen.
»Damit kommst du nicht durch, Howard«, kreischte Sarim. »Du betrügst! Es war nicht vereinbart, dass dir irgendjemand helfen darf.«
»Dein Zug!«, sagte Howard kalt.
De Laurec starrte ihn eine endlose Sekunde lang an. Dann lächelte er wieder. »Was glaubst du, gewonnen zu haben?«, fragte er schließlich. »Ich gebe zu, dass ich beim nächsten Zug meine Dame verliere – aber damit steht das Spiel allerhöchstens unentschieden. Es war ausgemacht, dass du gewinnen musst.«
»Du betrügst«, stellte Howard fest. »Ich hätte es mir denken können. Du hast schon immer gerne betrogen.«
»Schweig!«, brüllte de Laurec. »Es spielt keine Rolle mehr, ob ich betrüge oder nicht. Ihr werdet so oder so sterben.« Er kicherte, hob den Arm und deutete auf seinen König. »E7 auf E8«, sagte er. »Nimm dir die Dame, wenn es dir Freude bereitet. Du verlierst trotzdem.«
Howard schlug seine Dame. Die gewaltige Stahlkreatur verging in einem grellen Blitz, der auch Howards Springer zerfetzte, aber de Laurecs Reaktion bestand in einem abfälligen Verziehen der Lippen.
»Bravo, Howard«, sagte er kalt. »Mein Kompliment. Du hast phantastisch gespielt. Aus diesem Grunde gewähre ich dir sogar eine weitere Gnade: Du darfst noch leben und zusehen, wie deine Freunde sterben – allen voran dieser Narr Craven.«
Und in diesem Moment erwachten die riesigen Schachfiguren abermals zum Leben.
Ich hörte einen Schrei, wirbelte herum und sah, wie Looskamp auf Händen und Füßen die Treppe heraufzukriechen begann, verfolgt von einem Ding, das wie der Albtraum eines Eisenskorpiones aussah. Auch von der anderen Seite her rückten die gigantischen Killermaschinen heran.
Die Templer wichen zurück, zogen ihre Schwerter blank und
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