Hexer-Edition 07: Im Bann des Puppenmachers
Phillips.«
»Phillips?« Lady Audley blinzelte. »Sind Sie Engländer, Mister Phillips?«
Howard schüttelte rasch den Kopf. »Amerikaner, Lady Audley. Aber ich lebe nicht mehr drüben in den Staaten. Schon lange nicht mehr.«
»Amerikaner?«, wiederholte Lady Audley. »Nein, wie entzückend!« Sie kicherte, leerte ihr Champagnerglas und angelte mit einer grazilen Bewegung ein neues vom Tablett eines vorübereilenden Butlers. »Darüber müssen Sie mir unbedingt mehr erzählen, Mister Phillips. Wir sehen uns sicher noch; später bei Roberts Seance.«
»Sicher«, sagte Howard. »Ich denke schon, dass wir Gelegenheit zu einem Informationsaustausch finden werden.«
Lady Audley blinzelte, als müsse sie einen Moment ernsthaft über Howards Worte nachdenken, dann nippte sie erneut an ihrem Glas, nickte uns noch einmal zu und verschwand in der Menge.
»Entzückend«, sagte Howard kopfschüttelnd. Ein dünnes, schwer zu deutendes Lächeln spielte um seine Lippen. »Wer ist sie?«
»Lady Audley?« Ich sah mich rasch nach allen Seiten um, um mich zu vergewissern, dass keine allzu neugierigen Ohren in unserer Nähe waren und mithörten, ehe ich antwortete: »Ein … Original, würdest du wohl sagen. Der letzte Spross irgendeines aussterbenden Adelsgeschlechtes, glaube ich. Ein bisschen verrückt, aber sehr nett.«
Ein livrierter Butler kam auf uns zu und hielt uns ein Tablett mit Champagnergläsern entgegen. Ich nickte dankend, nahm eines der Gläser und trank einen kleinen Schluck, während Howard mit einem raschen Kopfschütteln ablehnte und wartete, bis sich der Diener wieder entfernt hatte. Im strahlenden Licht der von zahllosen Lüstern erhellten Halle wirkte er noch immer ein wenig blass; wenn man genau hinsah, erkannte man die dunklen Ringe unter seinen Augen und die leicht teigige Färbung seiner Haut; deutliche Anzeichen der schweren Krankheit, die er gerade hinter sich hatte. Es war beinahe acht Wochen her, dass wir London wieder erreicht hatten, aber Howard hatte die Verletzungen, die ihm der wahnsinnige Puppet-Master in Paris zugefügt hatte, noch immer nicht vollends verkraftet. Aber das war nicht weiter verwunderlich. Neun von zehn normalen Menschen wären an diesen Wunden gestorben.
»Lass uns irgendwo hingehen, wo wir reden können«, sagte er plötzlich. »In Ruhe.«
Das war leichter gesagt als getan. Der Ballsaal von Penderguest Hall ist einer der größten Londons, so wie die Empfänge, die Sir und Lady Penderguest in regelmäßigen Abständen zu geben pflegten, die beliebtesten und wahrscheinlich am besten besuchten sind. Ich schätzte, dass sich allein hier im Saal an die zweihundert Personen aufhielten – Aristokratie, Geldadel, der eine oder andere Künstler, den man zu kennen hatte, ein paar hohe Regierungsangehörige. Und in den angrenzenden Räumen musste sich noch einmal die gleiche Anzahl Gäste aufhalten. Es war nicht der erste Empfang der Penderguests, auf den ich ging.
Trotzdem entdeckte ich nach kurzem Suchen eine wenigstens einigermaßen abgeschiedene Ecke unter einem der Fenster, eine winzige, von Pflanzenkübeln und wucherndem Grün eingefasste Oase der Ruhe: zwei kleine Sesselchen, zwischen denen ein dreibeiniger Tisch stand. Ich deutete mit einer Kopfbewegung darauf und ging voraus.
»Was hat Lady Audley gemeint, als sie von einer Seance sprach?«, begann Howard, kaum dass wir uns gesetzt hatten. Das Lächeln war von seinem Gesicht verschwunden. Seine Züge wirkten beinahe ausdruckslos, aber in seinen Augen stand ein Ernst, den ich nur zu gut kannte. Ich hatte diesen Moment gefürchtet, seit ich vor Wochenfrist die Einladung der Penderguests bekommen hatte.
»Eine kleine Belustigung, die die Penderguests ihren Lieblingsgästen bieten«, antwortete ich. »Ein harmloser Spaß, mehr nicht.«
»Und du … spielst eine Rolle bei diesem … harmlosen Spaß?«, fragte er gedehnt.
Diesmal dauerte es einen Moment, ehe ich antwortete. Es war eine Menge geschehen, seit ich das Erbe meines Vaters angetreten hatte und damit praktisch über Nacht zu einem der wohlhabendsten Bürger Londons geworden war. Ich hatte mich eingelebt und zwar keine wirklichen Freunde gefunden, aber doch eine Menge Bekanntschaften geknüpft und mir einen gewissen Ruf in der Londoner Plüsch-Gesellschaft erworben.
Während der letzten vier Monate waren Howard und ich beinahe ununterbrochen zusammen gewesen, aber von den zwei Jahren davor wusste er so gut wie nichts. Und ich war ziemlich sicher, dass ihm eine
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