Hexer-Edition 08: Engel des Bösen
NECRO-NOMICON, dass die Tore sowohl durch die Zeit wie auch durch den Raum führten? Was, wenn ich nicht nur Millionen Jahre in die Vergangenheit, sondern vielleicht auch Millionen und Abermillionen Meilen durch den Raum geschleudert worden war?
Ich verscheuchte die Vorstellung. Solcherlei Überlegungen führten zu nichts. Schon gar nicht in der Lage, in der ich mich befand.
Es dauerte annähernd eine Stunde, bis Dagons Männer damit fertig waren, den Sandstreifen vor der Felswand Zentimeter für Zentimeter abzusuchen. Es war Sserith, der schließlich zurückkam und mit einem demütigen Kopfnicken zwei Schritte vor Dagon stehen blieb.
»Nichts, Herr«, sagte er. »Der Körper der Frau ist verschwunden. Die Saddit müssen sie fortgeschleppt haben.«
»Und der Stab?«, schnappte Dagon. »Seine Waffe? Was ist damit? Barlaam verlangt, dass wir sie bringen.«
»Nichts«, sagte Sserith. »Wir haben alles abgesucht, Herr. Wenn sie hier war, dann hat sie jemand gefunden und mitgenommen.«
»Unsinn«, schnappte Dagon. »Wer soll hier vorbeikommen, außer -« Er brach ab, wandte mit einem Ruck den Kopf und starrte mich aus seinen kalten, gefühllosen Fischaugen an. Dann drehte er sich wieder zu Sserith um und machte eine befehlende Geste. »Ruf die Männer zurück. Schnell.«
Sserith entfernte sich hastig, ganz offensichtlich froh, so glimpflich davongekommen zu sein, nachdem er seinem Herren die schlechte Nachricht gebracht hatte, und Dagon deutete mit der Hand in die Höhe, zum Grat des Kraterwalles.
»Wir werden hinübergehen«, sagte er. »Und du wirst mir zeigen, wo die Stelle war, an der du hierher gekommen bist.«
Ich war überrascht, dass er diese Frage überhaupt stellte, nachdem Dagon mich auf seine eigene Weise verhört hatte. Aber ganz offensichtlich reichten seine Fähigkeiten nicht annähernd an die Barlaams heran. Er wusste viel, aber längst nicht alles. Möglicherweise hatte ich hier doch noch eine Chance, zu entkommen.
»Ich weiß es selbst nicht genau«, sagte ich.
Dagon grinste dünn. »Das macht nichts«, sagte er liebenswürdig, beugte sich vor und begann mit seinem Silberstab zu spielen. »Ich kenne Mittel und Wege, dein Gedächtnis aufzufrischen, Robert Craven.«
Ich glaubte ihm aufs Wort.
Die Männer kamen rasch zurück und nahmen wieder ihre Plätze auf den Scheiben ein. Dagon wartete ungeduldig, bis auch der Letzte auf seinem Platz war, dann trat er wieder an den Rand unserer Flugscheibe und hob die Arme. Diesmal beobachtete ich ihn genauer. Ich sah, dass seine Lippen Worte formten, ohne dass ich auch nur den mindesten Laut hörte. Im gleichen Moment hoben sich die Kristallscheiben sanft in die Höhe und begannen auf die Felswand zuzugleiten. Mein Respekt vor den Fähigkeiten des Fischmannes stieg.
Lautlos näherte sich die kleine Flotte der Wand, verharrte auf Armeslänge vor der lotrechten Barriere aus polierter schwarzer Lava – und begann langsam, aber stetig, in die Höhe zu steigen.
Dagon schloss die Augen. Mit hoch erhobenen, ausgebreiteten Armen stand er am Rande der Scheibe, noch immer lautlose Worte flüsternd und in höchster Anspannung. Die sieben Kristallscheiben rückten enger zusammen; ihr Flug wurde unregelmäßiger, stockender. Ich spürte direkt, wie viel Kraft es Dagon kostete, die kleine Flotte in der Luft und beieinander zu halten. Unser Flug wurde langsamer, je höher wir kamen.
Auch unter den Männern auf den Scheiben machten sich die ersten Anzeichen von Nervosität bemerkbar. Sie rückten enger zusammen und mehr als ein Augenpaar richtete sich angstvoll in die Tiefe.
Dagon begann leise zu stöhnen. Feiner, glitzernder Schweiß bedeckte seine Stirn wie ein Netz und seine Arme, die noch immer wie zu einem Gebet erhoben und ausgestreckt waren, begannen zu zittern. Unerträglich langsam kam das Ende der Felswand näher und ich spürte, wie die Scheibe unter uns immer stärker zu zittern und zu beben begann.
Während der letzten zehn Yards rechnete ich nicht mehr damit, dass wir es schaffen würden. Dagon stand verkrümmt da, sein Gesicht eine Grimasse der Anspannung. Die Kristallscheibe hüpfte auf und ab wie ein Boot auf stürmischer See und lag einmal so schräg, dass ich den Halt verlor und über ihren Rand gestürzt wäre, hätte Sserith mich nicht am Kragen ergriffen und zurückgezerrt.
Endlich erreichten wir die Mauerkrone. Die Scheibe stieg mit einem letzten, fast befreit wirkenden Satz in die Höhe und gleichzeitig auf die Lavaebene hinaus, kippte zur
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