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Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Titel: Hexer-Edition 08: Engel des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hinein und zerrte mich hinter sich her.
    Es war ein Gefühl, als kämpfe man sich durch eine Wand aus unsichtbarer Watte. Der nachtdunkle Friedhof, der scheinbar zum Greifen nahe hinter dem Tor gelegen hatte, war noch immer vor uns, aber mit jedem Schritt, den Dagon tat, schien er um die gleiche Distanz zurückzuweichen.
    Aber er wurde auch realer.
    Und mit ihm …
    Es war ein beinahe unbeschreibliches Empfinden. Mit jedem Schritt, den wir uns durch das unsichtbare Nichts kämpften, wurde das Bild vor uns ein bisschen wirklicher, überzeugender und gleichzeitig spürte ich mit jedem Schritt mehr die Falle, die dahinter lauerte, die tödliche Illusion, die uns anlockte wie die Farben einer Fleisch fressenden Blüte die Fliege. Nichts von dem, was Dagon und ich zu sehen glaubten, war echt.
    Ich fiel ein wenig zurück – was Dagon in seiner Erregung nicht einmal zu merken schien – und ließ es zu, dass er vorauseilte, erst nur eine Hand breit, dann um mehrere Schritte.
    Als er vor mir aus der anderen Seite des Tores trat, blieb ich stehen. Ich wusste, was geschehen würde, eine halbe Sekunde, bevor Dagon ebenfalls stehen blieb und sich umsah.
    Der eisige Wind, der über den Friedhof strich und die Nacht mit unheimlichem Heulen erfüllte, verstummte. Dafür ertönte etwas wie ein dumpfer, lang nachhallender Trommelschlag und die schwarze Kuppel, die sich über dem Friedhof spannte und bisher wie ein sternenloser Himmel ausgesehen hatte, verwandelte sich in das steinerne Dach einer ungeheuren, unterirdischen Höhle.
    Ein zweiter Trommelschlag erscholl und mit ihm wehte ein unheimlicher, vibrierender Laut heran.
    Es waren Worte. Zwei Worte, die Dagon tausend Mal besser kannte als ich und tausend Mal mehr hassen musste: »Thul!«, dröhnte die Nacht. »Thul! Thul Saduun. Thul Saduun. Thul Saduun!«
    Dagon keuchte. Plötzlich war der Ausdruck des Triumphes von seinen Zügen verschwunden und stattdessen verwandelte sich sein Gesicht in eine Grimasse des Entsetzens.
    »Was ist das?«, keuchte er. »Was bedeutet das, Robert Craven?«
    Thul Saduun!, antwortete die Nacht. Thul Saduun. Thul Saduun!
    Und dann erschien das Netz.
    Es war die gleiche Falle, aus der Shadow und ich im letzten Augenblick entkommen waren: ein Gespinst grau flackernder Energielinien, die im Nirgendwo begannen und an tausend Stellen von kleinen, pulsierenden grauen Klumpen wie schlagende Herzen miteinander verbunden waren. In seinem Zentrum hockte eine riesige zehnbeinige Scheußlichkeit, ein Ding wie eine Spinne, aber tausend Mal schrecklicher.
    Und im gleichen Moment, in dem es Dagon erblickte, griff es an.
    Der Fischmann reagierte mit übermenschlicher Schnelligkeit. Seine Hand riss den Silberstab in die Höhe und zielte auf den Wächterdämon. Aber so schnell seine Bewegung war – die Spinne war schneller.
    Wie ein wirbelnder Ball aus Beinen und schwarzem Haar raste sie heran, rannte Dagon glattweg nieder und schnappte nach ihm. Ihre Mandibeln verfehlten seinen Arm, aber sie schlossen sich um seine Waffe, rissen sie ihm aus den Fingern und zerbrachen den daumendicken Metallstab wie einen trockenen Ast.
    Dagon schrie, rollte sich blitzschnell zur Seite und versuchte auf die Beine zu kommen, aber wieder war die Spinne schneller, fegte heran und begrub ihn mit ihrem gewaltigen Körper unter sich.
    Ich reagierte, ohne zu denken.
    Mit einem Satz war ich aus dem Tor und hinter den beiden ungleichen Gegnern und griff mit jenem Teil meines Geistes, das das magische Erbe meines Vaters war, nach dem Netz magischer Kräfte.
    Das gewaltige Gespinst erbebte wie unter einem Hieb. Dutzende der rauchigen Stränge zerrissen und zuckten wie peitschende Schlangenarme hin und her. Das Zentrum des Netzes, jenes große, knotiggraue Gebilde, in dem die Spinne gehockt hatte, erzitterte.
    Und im gleichen Moment ließ der Wächter von seinem Opfer ab, wirbelte herum und fegte auf mich zu.
    Mit einem verzweifelten Satz warf ich mich nach hinten und in die Sicherheit des Tores.
    Genauer gesagt, in die vermeintliche Sicherheit des Tunnels zwischen den Welten, denn die Spinne folgte mir und kam rasend schnell näher!
    Etwas Großes, Flatterndes erschien hinter ihr, raste wie ein bizarrer Riesenschmetterling heran und fiel mit einem dumpfen Flappen auf das Monstrum herab. Das widerliche Tier bäumte sich auf, schlug mit seinen haarigen Beinen und versuchte nach dem bunt schillernden Etwas zu beißen, das sich wie ein klebriger Belag um seinen Leib gewunden hatte.
    Dagons Mantel!

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