Hexer-Edition 08: Engel des Bösen
Tür ab, eilte durch den Raum und blieb vor dem Kamin stehen. Meine Finger tasteten über den goldgeschnitzten Rand des Ölgemäldes, das darüber hing. Ein leises Klicken erklang und das Bild schwang wie von Geisterhand bewegt zur Seite.
Dahinter kam die wuchtige Tür eines Wandsafes zum Vorschein. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um das Rad zu erreichen, stellte die Kombination ein und drückte einen weiteren verborgenen Knopf. Gleichzeitig formte ich in Gedanken die geheimen Worte, die den Schutzzauber außer Kraft setzten, mit dem ich den Safe zusätzlich versehen hatte.
Ich hatte lange genug auf der anderen Seite des Gesetzes gelebt, um zu wissen, dass er einem ernst gemeinten Versuch, ihn zu knacken, nicht standhielt. Für einen Profieinbrecher besaß ein Wandsafe wie dieser etwa die Festigkeit einer Sardinendose. Aber wer versuchte, diesen Schrank gegen meinen Willen zu öffnen, der würde sein blaues Wunder erleben. Es war nicht direkt gefährlich – aber welchem Einbrecher würde es gefallen, monatelang von einer Bande halbmetergroßer leuchtend grüner Kobolde verfolgt zu werden, die lauthals darüber diskutierten, welches seiner Verbrechen wohl das raffinierteste gewesen war?
Ich öffnete den Safe, schob seinen Inhalt zur Seite und öffnete auch das Geheimfach, das hinter dem eigentlichen Geldschrank lag. Sein Inhalt bestand aus fünf kleinen, sternförmigen Steinen aus porösem grauem Fels, so groß wie eine Münze und mit einem abstrakten Muster versehen, das so roh war, als wäre es von Kinderhand eingeschnitten.
Behutsam nahm ich einen der Shoggotensterne hervor, steckte ihn in die Rocktasche und schloss nacheinander das Geheimfach, den Safe und das Bild wieder.
Hinter mir ertönte ein leises Quietschen.
Eine halbe Sekunde lang war ich erstarrt vor Schrecken. Dann fuhr ich herum und riss den Stockdegen aus seiner Umhüllung.
Auf meinem Schreibtisch saß eine Ratte.
Es war ein besonders fettes, hässliches Exemplar, grau und struppig und so groß wie eine Katze. Ihre Augen glühten und der Blick, mit dem mich die Bestie musterte, ließ mich schaudern.
Aber ich verzichtete darauf, das Tier anzugreifen. Es war nur eine einzelne Ratte und trotz ihres beeindruckenden Äußeren stellte sie keine wirkliche Gefahr dar. Ich beschloss, mich nicht weiter um sie zu kümmern und zu tun, weshalb ich hergekommen war, ehe sämtliche Brüder, Schwestern, Onkeln, Neffen und Großtanten der Ratte auftauchten und die Sache brenzliger wurde. Zweifellos war die Ratte nur hier, um mich aufzuhalten. Ich beschloss, sie zu ignorieren.
Die Ratte war in diesem Punkt anderer Meinung. Als ich an meinem Schreibtisch vorbeiging, stieß sie ein hässliches Pfeifen aus, sprang ansatzlos vor und versuchte nach meiner Kehle zu schnappen. Ich wich zur Seite, hob meinen Degen und spießte sie auf, als sie das zweite Mal angriff.
Meine Knie begannen zu zittern, als ich mich der Standuhr näherte, und es kostete mich ungeheure Kraft, die Hand zu heben und nach dem Messingknauf zu greifen, der ihre Tür schloss. Die drei kleinen Zifferblätter, die unter und neben der großen Zeitanzeige angebracht waren, schienen mich wie höhnische Augen anzublinzeln. Das Metall des Knaufs fühlte sich eiskalt unter meinen Fingern an und als ich die andere Hand hob und sie gegen die Tür legte, glaubte ich für Bruchteile von Sekunden eine sanfte, pulsierende Bewegung zu spüren, die das Holz erzittern ließ. Fast wie das Schlagen eines gewaltigen, großen Herzens …
Hinter mir erklang ein Kratzen. Ich wandte den Kopf und gewahrte einen Schatten, der von außen an der Fensterscheibe scharrte. Kleine, glühende Knopfaugen starrten mich an. Dann kratzte etwas an der verschlossenen Tür; beinahe gleichzeitig rieselte Staub und Ruß aus dem Kamin und ich hörte ein leises, irgendwie zorniges Pfeifen.
Ich hatte keine Zeit mehr zu verlieren. Mit einem entschlossenen Ruck drehte ich den Knauf herum, öffnete die Tür und spannte mich.
Nichts hatte sich verändert. Wo das komplizierte Gestänge der Uhr sein sollte, gähnte der Anfang eines schlauchförmigen, zuckenden und bebenden Ganges. Seine Wände waren rot und gelb und braun und glitzerten feucht und ein Hauch schwüler, irgendwie organisch riechender Luft schlug mir entgegen.
Mein Magen begann zu rebellieren, als ich daran dachte, den Fuß auf diese widerlich weiche, lebendige Masse zu setzen, und vor meinem geistigen Auge erschien wie in einer blitzartigen Vision noch einmal das Bild
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