Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Titel: Hexer-Edition 08: Engel des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
fort«, sagte ich. »Gleich.«
    Howard ächzte, aber ich gab ihm keine Gelegenheit, irgendwelche Einwände vorzubringen, sondern ging zur Kutsche zurück und begann, das am wenigsten verletzte Tier abzuschirren. Das Pferd war halb wahnsinnig vor Angst und versuchte nach mir zu beißen. Ich griff nach seinem Geist und brach seinen Widerstand und aus einem hysterischen Gaul wurde von einer Sekunde zur anderen ein lammfrommes Tier.
    Ich hatte fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen, denn es hat mir immer widerstrebt, dem bewussten Willen einer denkenden Kreatur Gewalt anzutun, selbst wenn es nur ein Tier war. Dann vertrieb ich den Gedanken. Mir blieb keine Zeit für solcherlei Überlegungen.
    Howard erreichte mich, als ich das Pferd zur Hälfte abgeschirrt hatte, und riss mich unsanft an der Schulter herum. »Was hast du vor?«, fragte er erregt.
    Ich streifte seine Hand ab und fuhr fort, das Geschirr zu lösen. »Ich muss weg«, sagte ich. »Sofort. Ich weiß jetzt, was das alles zu bedeuten hat.«
    »Dann sag es mir!«, verlangte Howard.
    Ich schüttelte den Kopf, löste den letzten Lederriemen und schwang mich auf den Rücken der Stute. »Das kann ich nicht«, sagte ich. »Nicht jetzt. Es geht um Sekunden, Howard.«
    Ich wollte losreiten, aber Howard fiel mir wütend in die Zügel. »Ich begleite dich«, sagte er, aber wieder schüttelte ich den Kopf und schlug seine Hand beiseite.
    »Das geht nicht«, sagte ich hastig. »Bitte, Howard – vertrau mir. Du musst hierbleiben. Kümmere dich um Cohen und erkläre ihm alles, was nötig ist, sobald er wieder zu sich kommt. Du musst hierbleiben.«
    »Warum?«, fragte Howard wütend.
    Ich griff nach den Zügeln und zwang das Pferd, auf der Stelle kehrt zu machen, ritt aber noch nicht los, sondern sah noch einmal zu Cohen und Rowlf hinüber. »Er ist der Einzige, der dir glauben wird, nach allem, was jetzt passiert ist«, sagte ich. »Wenigstens hoffe ich das. Was wir gerade erlebt haben, war nur der Anfang, Howard. Ihr müsst ihren Anführer suchen.«
    »Ihren – was???«, ächzte Howard.
    »Das Wesen, das für das alles hier verantwortlich ist. Sucht die Albinoratte. Sie ist irgendwo in der Kanalisation, mehr weiß ich auch nicht. Sucht sie und bringt sie um, ehe sie die ganze Stadt verwüstet.«
    Ehe Howard antworten konnte, sandte ich einen lautlosen Befehl in das Gehirn der Stute. Sekunden später galoppierte ich wie von Furien gehetzt durch die Londoner Innenstadt nach Osten.
     
    Lange, sehr lange, nachdem das Mädchen zum Ende gekommen war, das Cindys Gesicht und Cindys Körper hatte, das mit ihrer Stimme sprach und ihr Lachen lachte und doch nicht Cindy war, blieb es sehr still. Selbst das Geräusch des Windes, der von der See her blies und in den Wipfeln der hohen Ulmen spielte, die den Friedhof von St. Aimes säumten, schien gedämpfter geworden zu sein. Es war, als hielte nun auch die Natur den Atem an vor dem Schrecken, den die Worte des dunkelhaarigen Mädchens heraufbeschworen hatten.
    Lady Audley starrte unverwandt in das Grab hinab. Das grüne Licht war zu einem kaum noch sichtbaren Schein herabgesunken, der schwarze, krakenarmige Ball in seiner Mitte wenig mehr als ein Schatten, aber sie spürte trotzdem das düstere, brodelnde Leben, das unter ihr heranwuchs. Obgleich seine Bewegungen schwächer wurden, wuchs die Gier, die sie wie ein saugendes Etwas in ihrer Seele spürte, mit jedem Moment.
    »Warum hast du mir das alles erzählt?«, fragte sie schließlich. Sie erschrak fast vor dem Klang ihrer eigenen Stimme.
    Cindy blickte sie voller Trauer und Wehmut an. »Dieser Ort ist mehr als ein Friedhof«, sagte sie. »Du wusstest es nicht, damals, als du meinen Körper hier beerdigen ließest; nur die Allerwenigsten wissen es und die Lippen derer, die die Wahrheit ahnen, sind auf ewig verschlossen. Aber dieser Boden ist heilig. Er war geweiht, lange bevor die Christen dieses Land in Beschlag nahmen. Die Kelten setzten ihre Toten an diesem geheiligten Fleck nieder und vor ihnen andere; Völker, deren Namen und Geschichten aus dem Gedächtnis der Menschen getilgt sind.«
    Audley schauderte. Die Worte des Mädchens schienen ein tiefes, längst vergessenes Wissen in ihr zu berühren, als erinnere sie sich an Dinge, die sie niemals erlebt hatte. Ihr Blick tastete an den geschändeten Grabreihen entlang und suchte die beiden gewaltigen eisernen Wolfsfiguren, die das Tor flankierten. Sie entstammten keiner Kunstrichtung, die Lady Audley jemals gesehen hatte und

Weitere Kostenlose Bücher