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Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Titel: Hexer-Edition 08: Engel des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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begann zu zittern. Ganz plötzlich bewegte sich der Schädel! Ein helles, schabendes Geräusch drang durch den grauen Knochen und mit einem Male rollte der Totenschädel zur Seite, wippte noch ein paarmal hin und her und der Unterkiefer klappte wie zu einem hässlichen Grinsen herab.
    Aus dem offen stehenden Mund des Schädels kroch eine haarige, schwarze Ratte und huschte davon.
    Howard unterdrückte im letzten Moment einen Aufschrei. Die Ratte verschwand aus dem Halbkreis des Fackelscheins, aber ihre Schritte waren noch sekundenlang als leises Trappeln und Schaben zu hören. Und selbst danach bildete Howard sich noch ein, die Blicke unsichtbarer kleiner Augen aus der Dunkelheit heraus zu fühlen.
    Trotz der Kälte, die den Gang wie ein gläserner Hauch ausfüllte, perlte Schweiß auf Howards Stirn und seine Handflächen fühlten sich feucht und klebrig an. Er hielt die Fackel viel fester, als nötig gewesen wäre. Sein Blick irrte unablässig durch den niedrigen, gewölbten Stollen, saugte sich an der samtschwarzen Wand aus Dunkelheit fest, die im gleichen Tempo vor dem flackernden Fackellicht zurückwich, in der sie sich bewegten, und versuchte Umrisse zu erkennen, wo nur Schwärze und Finsternis waren.
    »Wohin … führt dieser Gang?«, fragte er. Seine eigene Stimme kam ihm fremd vor; die bizarre Akustik dieses unterirdischen Stollens verzerrte sie und ihr Klang verriet mehr von seiner Nervosität, als ihm Recht war.
    Cohen, der wenige Schritte vor ihm ging und mit seinen breiten Schultern den Stollen beinahe auszufüllen schien, blieb mitten im Schritt stehen, drehte sich halb um und grinste flüchtig, ehe er antwortete. »Nach unten, Mister Lovecraft. Weiter nach unten.«
    Howard wollte auffahren, aber Stanislas Cohen machte eine rasche, beruhigende Geste und fügte hinzu: »Zur Subway, um genau zu sein. Wenn auch zu einem Teil, den kaum noch jemand kennt.«
    Howard sah den weißhaarigen Hünen fragend an. »Kaum noch? Wissen Sie, Cohen, ich bin Amerikaner und nur zurzeit in London, aber die Subway -«
    »Ich weiß, was Sie sagen wollen«, unterbrach ihn Cohen. »Man hat gerade vor ein paar Jahren erst angefangen, die Untergrundbahn zu bauen.«
    »Soviel ich weiß, sind gerade erst ein paar Meilen fertig«, bestätigte Howard. »Aber ein Gang, den kaum noch jemand kennt, bedingt ein ziemliches Alter.«
    »Ich weiß«, antwortete Cohen. »Aber Sie werden schon sehen, was ich meine. Kommen Sie – wir haben nicht viel Zeit.«
    Sie gingen weiter. Howard hielt sich dicht hinter Cohen und trotz der Dunkelheit und der Massen von Schutt und Abfall, die den Boden bedeckten und das Gehen teilweise zu einem halsbrecherischen Abenteuer werden ließen, kamen sie schnell voran. Howards Orientierungssinn war genauso durcheinander geraten wie sein Zeitgefühl, seit sie das unterirdische Labyrinth betreten hatten, aber sie mussten weit mehr als eine Meile zurückgelegt haben, als Cohen abermals stehen blieb, den Zeigefinger auf die Lippen legte, seine Fackel löschte und Howard mit Gesten bedeutete, es ihm gleich zu tun.
    Howard legte gehorsam die Fackel zu Boden und hob den Fuß, zögerte aber, sie auszutreten. Für einen kurzen Moment glaubte er einen Totenschädel zu sehen, aus dessen leeren Augenhöhlen schwarze Ratten hervorquollen. Er schüttelte die Vorstellung ab, aber es gelang ihm nicht vollkommen; ein dumpfes, bohrendes Gefühl der Beunruhigung blieb zurück, das beinahe schlimmer war als wirkliche Angst. Die Vorstellung, hier unten schutzlos der Dunkelheit ausgesetzt zu sein, war ihm unerträglich. Aber es musste sein. Cohen hatte ihm lang und breit genug erklärt, wie licht- und geräuschempfindlich sie waren. Was ihnen beiden geschehen konnte, wenn ihr Vorhaben fehlschlug, hatte er ihm nicht erklärt.
    Aber das war auch nicht nötig. Howards Phantasie reichte durchaus, es sich in allen Einzelheiten auszumalen. Leider.
    »Nun machen Sie schon!«, flüsterte Cohen ungeduldig, als Howard noch immer unentschlossen von der ohnehin nur noch glimmenden Fackel und der Wand aus Schwärze hin und her blickte, die den Gang wenige Schritte vor ihnen abschloss.
    Mit einem resignierenden Seufzen senkte er den Fuß auf das Ende der Fackel.
    Die Dunkelheit schlug wie eine erstickende Woge über ihnen zusammen. Und danach – wie ein zweiter, noch wuchtigerer Hieb – die Furcht. Es war ein bizarres Gefühl: Für Sekunden hatte Howard seine Gedanken nicht mehr unter Kontrolle und seine überreizte Phantasie gaukelte ihm Dinge

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