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Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Titel: Hexer-Edition 08: Engel des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Gestalten, die bisher reglos zwischen den verwüsteten Gräberreihen gestanden und zu der Fremden und ihren beiden unheimlichen Begleitern hinübergeblickt hatten, stiegen in ein aufgebrochenes Grab hinab. Ein Kratzen und Scharren wurde laut, dann das Splittern von Holz.
    Die Frau in der grünen Toga hob langsam die Arme, ergriff den knöchernen Rattenschädel, den sie wie einen bizarren Helm auf dem Kopf trug, und nahm ihn ab; langsam und in einer beinahe zeremoniell anmutenden Geste. Eine vage, unruhige Bewegung ging durch die Masse der Ratten, als darunter das Gesicht einer dunkelhaarigen, jungen Frau zum Vorschein kam.
    Langsam näherten sich zwei Männer dem Grab, den schlaffen, in halb vermoderte weiße Tücher eingeschlagenen Körper zwischen sich tragend, den sie aus dem erbrochenen Sarg genommen hatten. Die Ratten wichen lautlos zur Seite und bildeten eine Gasse für die beiden Männer und ihre schreckliche Last.
    Sie erreichten das Grab, blieben stehen und blickten abwartend zu der Fremden hinüber. Die Frau starrte in die Grube hinab. Ihre Lippen formten … Laute. Worte einer düsteren, vor Äonen untergegangenen Sprache und ihre Hände vollführten kleine Gesten. Dann hob sie mit einem Ruck den Arm und deutete fordernd auf den Toten, den die beiden Männer gebracht hatten.
    Es gab keinen Laut, als die beiden den Leichnam in das Grab warfen und das grüne Glühen ihn aufsaugte. Nur das Wabern und Wogen in seinem Zentrum wurde stärker und das unbeschreibliche Etwas, das im Herzen des grünen Lichtes Gestalt anzunehmen begann, schien erneut um eine Winzigkeit lebendiger und stofflicher zu werden …
    Wieder bewegten sich die Lippen der Fremden und diesmal war es ein Wort in der Sprache der Menschen, das sie formten. Nur ein Wort, aber immer und immer wieder. »Bald«, flüsterte sie. »Bald.«
    Aus dem Grab erklang ein grässlicher, saugender Laut; wie zur Antwort. Es klang fast wie ein Schmatzen.
     
    Howard hatte sich meinen Bericht schweigend angehört, aber ich wartete vergebens darauf, dass er antwortete oder auch nur mit dem Verziehen einer Miene auf meine Worte reagierte. Er war ein wenig blass und in seinen Augen stand noch immer der gleiche, dumpf verzweifelte Ausdruck wie am Morgen, wenngleich er sich auch sichtlich gefangen hatte. Seine Hand lag auf dem Ledereinband des Buches, in dem er gelesen hatte, als ich zurückkam. Es war einer der Bände aus der Geheimbibliothek meines Vaters. Das Chaat Aquadingen. Howard wusste, wie wenig gern ich es sah, wenn er in diesem Buch las. Aber ich hatte kein Wort darüber verloren. Er kannte die Gefahr, die diese verbotenen Bücher darstellten, wahrscheinlich besser als ich. Er würde seine Gründe haben, sich derart krass über meinen Willen hinwegzusetzen.
    »Ich verstehe einfach nicht, was das bedeutet«, sagte ich – zum wahrscheinlich zehnten Mal, seit ich hier herauf in die Bibliothek gekommen war.
    »Es bedeutet, dass das, was du gesehen hast, kein Unfall war«, sagte Howard mit seltsam flacher, ausdrucksloser Stimme. »Die Polizei glaubt, dass die Ratten die Tollwut hatten oder der Junge sie gereizt hat, nicht?«
    »Ich weiß nicht, was die Polizei glaubt«, antwortete ich rasch. Ich hatte ihm nicht viel von Cohen erzählt; wir hatten dringendere Sorgen als einen Polizeicaptain, der mich aufs Korn nehmen wollte. »Aber ich nehme es an.«
    »Es stimmt nicht«, antwortete Howard. »Das war Mord, Robert. Ein kaltblütiger, berechnender Mord. Die Ratten haben diesen armen Teufel zerrissen, damit du es siehst.«
    Seine Worte ließen mich schaudern. Ich hatte geahnt, dass es so war, aber es gab einen Unterschied zwischen Ahnen und Wissen.
    »Jemand hat sie geschickt, meinst du?«, flüsterte ich stockend.
    Howard nickte. »Nicht jemand«, sagte er betont. »Sie. Dieser arme Kerl musste um einer sinnlosen Machtdemonstration willen sterben; nur, um uns zu zeigen, wie groß ihre Macht ist.« In seinem Blick erschien wieder dieser Ausdruck von Vorwurf, mit dem er mich schon die ganze Zeit gemustert hatte und den ich mir nicht erklären konnte.
    »Ich habe über alles nachgedacht, während du weg warst«, fuhr er fort. Er lächelte müde, zündete sich eine Zigarre an und ließ die freie Hand mit einer erschöpften Bewegung auf den Einband des Chaat Aquadingen hinunterfallen. »Du hast mir alles über deine … Vision erzählt?«, vergewisserte er sich. »Du hast nichts vergessen, keine Kleinigkeit? Nichts weggelassen, weil es dir unwichtig

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