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Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Hexer-Edition 08: Engel des Bösen

Titel: Hexer-Edition 08: Engel des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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haben«, krächzte Penwick. »Sie dürfen diesen Raum nicht verlassen, aber ansonsten stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.«
    »Sie … Sie könnten mir diese Fesseln abnehmen«, sagte Lady Audley mit einer Kopfbewegung auf ihre zusammengebundenen Hände.
    »Das darf ich nicht.«
    Lady Audley schluckte schwer. »Seien Sie nicht albern, junger … junger Mann«, sagte sie mit allem Mut, den sie aufzubringen vermochte. »Ich bin eine alte Frau, was könnte ich schon gegen einen so starken Mann wie Sie unternehmen? Die Fesseln tun mir weh.«
    Das braune Rattengesicht starrte sie drei, vier endlose Sekunden lang an, dann nickte es, eine Geste, die den Schrecken, den sein Anblick brachte, noch vertiefte, denn sie bewies Lady Audley, dass dieses grauenerregende Wesen irgendwann einmal ein ganz normaler Mensch gewesen sein musste.
    »Wahrscheinlich haben Sie Recht, Mylady«, sagte Penwick. »Es ist wohl nicht nötig, dass Sie die Unbequemlichkeit noch länger ertragen. Die Tür ist ohnehin abgeschlossen und den Schlüssel habe ich in der Tasche.« Er klopfte bezeichnend auf die rechte Seite seiner schweren Arbeitsjacke, beugte sich vor und zerriss die fingerdicken Stricke um Lady Audleys Handgelenk mit einem kurzen, kräftigen Ruck.
    Lady Audley schwang mit einem erleichterten Seufzer die Beine von der Liege und rieb ihre schmerzenden Handgelenke. Ihr Blick blieb unverwandt auf Penwicks Rattengesicht geheftet.
    »Wenn Sie sonst noch einen Wunsch haben …«, sagte der Rattenmann.
    Lady Audley nickte und streckte die Hand aus. »Helfen Sie einer alten Frau beim Aufstehen, junger Mann.«
    Penwick trat – ganz Gentleman-Ratte – vor, ergriff ihre rechte Hand und zog sie behutsam auf die Füße. Lady Audleys gute zwei Zentner kamen zitternd und bebend in die Höhe.
    Aber sie begnügte sich nicht damit, aufzustehen, sondern stieß sich mit der anderen Hand ab, verstärkte so Penwicks Zug noch – und riss das rechte Knie in die Höhe. Die Bewegung war vielleicht nicht sehr schnell und ganz bestimmt alles andere als elegant, aber hinter dem Knie, das Penwick da traf, wo es weder menschliche noch rattische Männer besonders schätzen, steckte die ganze Wucht ihrer zwei Zentner Körpergewicht.
    Penwick stieß ein krächzendes, fast komisch klingendes Quietschen aus, krümmte sich – und kollidierte zum zweiten Mal mit Lady McPhaersons Knie.
    Diesmal traf der Schlag sein Gesicht. Penwick quietschte erneut, warf die Arme in die Luft und kippte nach hinten. Er war bewusstlos, ehe er auf dem Boden aufschlug.
    Sekundenlang stand Lady Audley da und blickte kopfschüttelnd auf den Rattenmann hinunter. Dann raffte sie ihre Röcke zusammen, ging umständlich neben ihm in die Hocke und begann seine Taschen zu durchwühlen. Penwick regte sich stöhnend. Seine Krallenhand fuhr scharrend über den Boden und hinterließ millimetertiefe Scharten in dem harten Holz. Seine Lider zitterten.
    Lady Audley runzelte missbilligend die Stirn – und ließ sich nach vorne fallen. Penwick stieß keuchend die Luft aus, als ihre Knie seine Rippen knacken ließen, verdrehte die Augen – und verlor abermals das Bewusstsein.
    »So ist es brav«, sagte Lady Audley, während ihre Hand in Penwicks Tasche glitt und mit einem gewaltigen, doppelbärtigen Schlüssel wieder zum Vorschein kam. »Bleib nur schön liegen, mein Junge, sonst müsste ich dir wirklich wehtun.«
    Hinter ihr erklang ein leises, perlendes Lachen.
    Lady Audley fuhr mit einem Schrei herum – und erstarrte mitten in der Bewegung.
    Die Tür hatte sich lautlos geöffnet, während sie damit beschäftigt gewesen war, Penwick nach dem Schlüssel zu durchsuchen. Helles Sonnenlicht strömte in den Raum, ließ den Schein der Petroleumlampe verblassen und zeichnete die Konturen der Gestalt nach, die unter der Tür erschienen war. Aber obwohl sie im Gegenlicht nicht mehr als ein tiefenloser schwarzer Schatten war, erkannte Lady Audley doch die Konturen einer schlanken, gut gewachsenen jungen Frau. Nur ihr Kopf schien irgendwie missgestaltet; eckig. Es war nicht der Umriss eines menschliches Kopfes.
    Zitternd vor Schreck, aber noch immer von dem Willen erfüllt, ihr Leben so teuer wie nur möglich zu verkaufen, richtete sich Lady Audley vollends auf und spannte sich, als die Fremde auf sie zutrat.
    »Wer sind Sie?«, fragte sie scharf.
    Die Frau schloss die Tür hinter sich und im weichen Licht der Petroleumlampe wurde aus dem flachen Schatten die Gestalt eines sehr jungen, leicht bekleideten

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