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Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Titel: Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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freie Bahn zu verschaffen.
    McGillycaddy hatte viel von seinem unheimlichen Flair verloren. In der Nacht am See, während er im Schein des Scheiterhaufens gestanden und mit hoch erhobenen Armen seine Beschwörungsformel rezitiert hatte, war er selbst mir unheimlich und mächtig erschienen, viel weniger Mensch als ein Dämon, den die Nacht ausgespien hatte. Jetzt machte er auf mich nur noch den Eindruck eines gemeinen Verbrechers. Und mehr war er wohl auch nicht. Der Gedanke, ihm zu suggerieren, dass er in Wirklichkeit ein Kaninchen war, um ihn dann zur allgemeinen Belustigung mit komischen Sprüngen durch die Messe hüpfen zu lassen, gefiel mir immer besser. Aber dann verwarf ich ihn wieder. Für solcherlei Spielereien war im Moment weiß Gott keine Zeit.
    »Geben Sie den Weg frei«, sagte ich steif. »Ich muss zu Dagon.«
    »Ach?«, sagte McGillycaddy. »Das müssen Sie? Davon hat er mir nichts gesagt.«
    Allmählich begann meine Geduld nachzulassen. Behutsam streckte ich einen geistigen Fühler aus und tastete sein Bewusstsein ab. »Es gibt etwas, was er wissen muss«, sagte ich. »Und zwar sofort!«
    McGillycaddy schüttelte stur den Kopf. »Glaub’ ich nicht«, sagte er und grinste. »Er weiß alles, was auf diesem Schiff vorgeht, Craven. Hauen Sie ab, ehe ich ungemütlich werde.«
    Nein, dachte ich zornig. Ein Kaninchen war ein zu hübsches Tier. Einen Moment lang musterte ich McGillycaddy durchdringend, dann fand ich den passenden Vergleich und verstärkte meinen geistigen Druck ein wenig. McGillycaddy zuckte zusammen. Seine Augen wurden rund vor Schreck. Er wollte aufstehen, aber stattdessen fiel er plötzlich nach vorne, presste das Gesicht gegen die raue Tischplatte und begann lautstark zu schnüffeln, wobei er grunzende Laute ausstieß. Seine Kumpane starrten ihn mit wachsender Verwirrung an, während McGillycaddy vergeblich versuchte, mit einem nicht vorhandenen Schweineschwanz zu wedeln.
    »Hör mit dem Unsinn auf, Robert Craven!«, sagte eine scharfe Stimme.
    Gehorsam entließ ich McGillycaddy aus der Vorstellung, ein Schwein zu sein, drehte mich um und stieg über sein noch immer vorgestrecktes Bein hinweg, wobei ich ihm ganz aus Versehen kräftig auf die Zehen trat. Die Tür hatte sich geöffnet und unter der Öffnung war eine hochgewachsene, fischgesichtige Gestalt erschienen.
    »Wieso Unsinn?«, fragte ich. »Ich wollte ihm nur helfen, auch so auszusehen, wie er sich benimmt.«
    Ich war nicht ganz sicher – aber für einen Moment glaubte ich beinahe, ein amüsiertes Lächeln über Dagons fremdartige Züge huschen zu sehen. Aber er wurde sofort wieder ernst. »Komm«, sagte er nur.
    Verfolgt von McGillycaddys zyankalitriefenden Blicken verließ ich den Raum und ging hinter Dagon durch einen schier endlosen, niedrigen Gang. Ich versuchte nicht, mir den Weg einzuprägen, denn das war auf der DAGON ziemlich sinnlos. Ich war mir nicht einmal sicher, ob dieses phantastische Gebilde überhaupt ein Schiff war oder nur etwas, dem Dagon aus Gründen, die ich nicht einmal zu erraten mochte, dieses Aussehen gegeben hatte.
    Wir gingen eine Treppe hinauf, durchquerten einen mit Kisten und Säcken vollgestopften Raum und betraten eine kleine, überaus prachtvoll eingerichtete Kabine, die im Heck des Schiffes liegen musste, denn durch drei gewaltige, mit farbigem Bleiglas versehene Fenster an der Rückseite fiel helles Tageslicht herein.
    Wir waren nicht allein – auf einem mit seidenen Kissen drapierten Diwan links der Tür saß Jennifer, nicht mehr nackt, wie ich sie unter Wasser gesehen hatte, sondern mit einem goldbestickten Umhang bekleidet und über und über behängt mit den kostbarsten Schmuckstücken. Und beiderseits der Fenster hockten zwei von Dagons Kaulquappenkreaturen wie riesige schwammige Kröten.
    Dagon winkte ungeduldig mit der Hand, die Tür zu schließen, ging zu einem Stuhl unter dem Fenster und ließ sich hineinfallen. Mir fiel auf, wie fahrig seine Bewegungen wirkten und wie fiebrig der Glanz seiner Augen war. Entweder war er nervös, dachte ich – oder krank.
    »Was willst du?«, fragte Dagon. »Ich habe dir gesagt, dass ich dich rufen werde, wenn du gebraucht wirst.«
    Einen Moment lang starrte ich ihn verwirrt an. Er musste doch wissen, weshalb ich gekommen war. In diesem Punkte hatte McGillycaddy durchaus Recht – was immer auf diesem Schiff vorging, konnte Dagon nicht verborgen bleiben. Immerhin las er meine Gedanken.
    Aber sein Blick sagte mir, dass das nicht stimmte. Er hatte keine

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