Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft
das nicht nur tat, um sich nicht damit abschleppen zu müssen, sondern weil er fest damit rechnete, zurückzukommen und es ein weiteres Mal zu benutzen.
»Gehen wir«, sagte Shannon, als er fertig war.
Nebeneinander drangen sie in den Busch ein. Wolken waren aufgezogen und das dichte Blätterdach des Dschungels dämpfte das Licht des Mondes noch mehr, sodass sie sich nurmehr vorantasten konnten, aber Shannon schien über die Augen einer Katze zu verfügen. So rasch, als wäre es heller Tag, eilte er vor Eldekerk durch den Busch.
Plötzlich blieb er stehen, und als auch Eldekerk anhielt, hörte er Schritte, darunter die gemurmelten Gespräche von zwei oder mehr Menschen. Shannon gestikulierte ihm, leise zu sein, und Eldekerk nickte. Nach allem, was er erlebt hatte, stand auch ihm nicht mehr der Sinn nach einer weiteren unverhofften Begegnung.
Aber sein Schrecken wandelte sich in Erleichterung, als er die beiden Gestalten vor sich auf dem Waldweg auftauchen sah und ihre Uniformen erkannte.
»Das sind Soldaten, Shannon!«, sagte er erleichtert. »Soldaten von der Garnison. Sie werden uns helfen!«
Beim Klang seiner Worte waren die beiden stehen geblieben und Eldekerk sah, wie einer zu seinem Gewehr griff. Rasch hob er den Arm, winkte beruhigend und sagte laut: »Nicht schießen! Ich bin es, Eldekerk!«
Die Hand, die nach dem Gewehr hatte greifen wollen, erstarrte mitten in der Bewegung. Der Soldat kam einen Schritt näher, kniff misstrauisch die Augen zusammen und sah erst Eldekerk, dann Shannon und dann wieder ihn an.
»Eldekerk?«, fragte er. »Was tun Sie hier, um diese Zeit? Und wer ist das da bei Ihnen?«
»Ein Freund«, sagte Eldekerk hastig. »Euch beide schickt der Himmel. Ihr müsst uns helfen!« Rasch trat er auf die beiden Soldaten zu. Shannon folgte ihm, machte einen Schritt zur Seite und musterte die beiden Männer stumm.
»Wobei müssen wir euch helfen?«, fragte einer der Soldaten lauernd. »Beim Schmuggeln?«
»Nein«, sagte Shannon ruhig. »Beim Sterben.«
Metall blitzte in seiner Hand. Eldekerk fuhr zusammen, aber er kam nicht einmal mehr dazu, einen Schrei auszustoßen.
Mit einer Bewegung, die schneller war, als seine Augen ihr folgen konnten, trat Shannon auf die beiden Soldaten zu und zog sein Schwert durch.
Der Käfig war nicht viel größer als ein aufrecht stehender Sarg. Er stand auf der Ladefläche eines niedrigen Eselkarrens und die rostigen Handschellen, die an seinen Seiten befestigt waren, bekundeten seinen Verwendungszweck auf äußerst nachdrückliche Weise.
Das obskure Gefährt erinnerte mich an Abbildungen der Käfigwagen, mit denen die Verurteilten während der französischen Revolution zum Schafott gebracht worden waren. Nur dass es noch unmenschlicher aussah.
Ich lag auf dem Rücken, halb in fauligem Stroh vergraben, im hinteren Drittel einer Scheune. Ich erinnerte mich kaum, wie ich hierher gekommen war. Irgendwann, nach einer Ewigkeit, die nur aus Schwärze und der vagen Erinnerung an Schmerz bestand, hatten mich zwei von Tergards Männern unter den Armen ergriffen und hierher geschleift, in einen kleinen, zur Westseite hin offenen Schuppen gleich neben dem Tor der so genannten Garnison.
Dann war Roosfeld gekommen.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit seither vergangen war, aber es mussten Stunden sein, denn der Himmel begann sich bereits grau zu färben und aus dem nahen Dschungel wehte ein ganzer Chor kreischender und schimpfender Vogelstimmen herüber.
Ich klammerte mich an dieses Geräusch, als einzige Verbindung, die noch zwischen der wirklichen Welt und dem Universum aus Furcht und Schmerzen bestand, in das Roosfeld mich hineingeprügelt hatte.
Das Schlimme waren nicht einmal die Schmerzen gewesen, sondern das, was Tergard getan hatte. Es war nicht das erste Mal, dass ich einen Angriff auf rein geistiger Ebene erlebte, aber nie war es so schlimm gewesen wie jetzt. Der Templer hatte meinen Geist von unten nach oben gekehrt, in verbotenen Bereichen meines Selbst gegraben und Dinge zutage gefördert, von denen ich selbst nicht wusste, dass sie da waren.
Und dann hatte er mein Gehirn genommen und es wie einen feuchten Aufwischlappen ausgewrungen. Das war der einzige Vergleich, der mir dazu einfiel, und auch er war mehr als unzureichend. Ich fühlte mich … leer. Ausgesaugt und müde, als hätte Tergard meine Lebenskraft gestohlen wie ein bizarrer geistiger Vampir.
Kein Mensch erträgt es, wenn seine geheimsten Gedanken und Wünsche ans Tageslicht gezerrt und
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