Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft
aller Augen präsentiert werden. Für endlose Minuten hatte ich nur noch den Wunsch gehabt zu sterben, um dem unbeschreiblichen Gefühl der Scham zu entfliehen, mit dem Tergards Tun mich erfüllt hatte.
Der Tempelherr hatte in meinem Gehirn geblättert wie in einem Buch. Es gab buchstäblich nichts mehr, was er nicht von mir wusste.
»So ist das also«, sagte er, nachdem er mich eine Zeit lang schweigend angestarrt hatte. In seiner Stimme schwang eine Mischung aus Erstaunen und Unglaube. Aber sein Blick war hart und erbarmungslos wie zuvor.
»Ich muss sagen, ich habe Ihnen wirklich Unrecht getan, Craven«, murmelte er. »Sie sind kein Spion.«
Ich wollte antworten, aber mir fehlt die Kraft dazu und vermutlich hätte Tergard mir auch gar nicht zugehört. Obgleich er sich alle Mühe gab, nach außen hin weiter so gelassen und ruhig zu erscheinen wie bisher, spürte ich doch, wie sehr ihn das, was er von und über mich in Erfahrung gebracht hatte, innerlich aufwühlte. »Nein«, sagte er noch einmal. »Ein Spion sind Sie nicht.« Er lachte leise. »Nicht einmal Ihr Pass ist gefälscht, so unglaublich es klingt. Wenn ich Sie jetzt nach Amerika zurückschicken würde, dann könnten Sie sich glatt selbst begegnen. Eine amüsante Vorstellung, nicht wahr?« Übergangslos wurde er wieder ernst. »Aber keine Sorge, mein lieber Freund – ich werde Sie nicht in die Verlegenheit bringen.«
»Nein?«, würgte ich hervor. »Wollen Sie Ihrem … Gorilla den Spaß nicht verderben?« Meine Stimme bebte. Es war nurmehr kindlicher Trotz, der mir überhaupt noch die Kraft gab, zu sprechen.
»Roosfeld?« Tergard lachte erneut. »Aber nicht doch, Craven. Er hat seinen Spaß gehabt, meinen Sie nicht auch? Was den verstauchten Arm anbelangt, ist er wohl quitt mit Ihnen.«
Mühsam wandte ich den Kopf und blinzelte zu Roosfeld hinauf, der breitbeinig über mir stand. Sein rechter Arm hing in einer Schlinge, und der Ausdruck auf seinen Zügen schien zu sagen, dass man über diesen Punkt durchaus geteilter Meinung sein konnte. Roosfeld war noch nicht mit mir fertig. Noch lange nicht.
»Keine Angst, Craven«, sagte Tergard, als er meinen Blick bemerkte. »Roosfeld wird Ihnen nichts mehr antun. Wir haben eine viel bessere Methode, mit Leuten wie Ihnen fertig zu werden.«
Ich stemmte mich mit letzter Kraft in die Höhe und fiel zurück, als Roosfeld mir in die Seite trat.
»Roosfeld!«, sagte Tergard scharf. »Ich habe gesagt, dass du ihn in Frieden lassen sollst. Mister Craven genießt unsere volle Gastfreundschaft.« Er warf dem grobschlächtigen Sergeanten einen strafenden Blick zu, schüttelte den Kopf und beugte sich in gespielter Besorgnis zu mir herab.
»Sie dürfen es ihm nicht übel nehmen, Craven«, sagte er. »Die Größe seines Gehirnes steht leider in diametralem Gegensatz zu der seiner Muskeln. Ich versichere Ihnen, dass Ihnen ab sofort kein Haar mehr gekrümmt werden wird.« Er deutete auf den Wagen mit dem Käfigaufsatz. »Ich habe sogar unsere Staatskalesche für Sie anspannen lassen, um Sie in unser Gästequartier zu bringen. Ich bin sicher, Sie werden sich dort wohl fühlen.« Er beugte sich noch weiter herab. »Bring ihn weg, Roosfeld«, sagte er leise.
Der Sergeant knurrte zustimmend, riss mich unsanft auf die Füße und beförderte mich mit Stößen und Knüffen auf den Eselskarren zu, bugsierte mich in den Käfig und kettete meine Handgelenke an. Als er mich losließ, sank ich sofort zusammen, bis mein Sturz von den rostigen Eisenringen um meine Gelenke gestoppt wurde.
Roosfeld warf den Käfig zu, verschloss ihn mit einem einfachen Riegel und trat um den Wagen herum, um vorne auf den Bock zu steigen.
»Wohin … bringen Sie … mich?«, stöhnte ich. Die Welt begann sich um mich herum zu drehen. Mir wurde übel und ich spürte, dass ich nun endgültig das Bewusstsein verlieren würde.
»An einen Ort, an dem Sie sich sicherlich wohl fühlen werden«, antwortete Tergard hämisch. »Sie wollten doch wissen, was das alles hier bedeutet, nicht wahr? Nun, mein lieber Craven, jetzt, nachdem ich so viel über Sie weiß, ist es nur fair, wenn auch Sie endlich aufgeklärt werden. Nur noch ein bisschen Geduld. Sie werden sehen, dass es sich lohnt. Und wer weiß – vielleicht sehen Sie sogar bald einen alten Freund wieder. Aber jetzt habe ich noch eine Kleinigkeit zu erledigen – mit Ihnen …«
Sein höhnisches Lachen verfolgte mich hinüber in den Bereich der Dunkelheit, als meine Sinne schwanden.
»Warum haben
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