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Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Titel: Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Grunde des Schachtes vertiefte sich ein wenig, die Schatten im Raum um uns herum wurden schwärzer, etwas bewegte sich dort, wo sich nichts bewegen durfte – und aus der Tiefe stieg eine Gestalt empor.
    Ich unterdrückte im letzten Moment einen Schrei, als das Wesen den Rand des Schachtes erreichte.
    Auf den ersten Blick glich die Erscheinung einem Menschen. Auf den zweiten nicht mehr.
    Es hatte zwei Beine, zwei Arme, einen Leib und einen Kopf, aber damit hörte die Ähnlichkeit zu einem menschlichen Wesen auch schon auf.
    Seine Haut war glatt, porenlos und glänzend wie Stahl oder poliertes Holz und von nachtschwarzer Farbe, die Glieder dünn und hart wie metallene Stöcke, zwischen denen sich die Gelenke deutlich als kugelförmige Verdickungen abzeichneten. Seine Hände erinnerten mich an Spinnen. Und sein Kopf …
    Es hatte einen Kopf, aber wo sein Gesicht sein sollte, glänzte nur eine schimmernde, vollkommen konturlose Fläche, wie ein geschlossenes Visier in einem Anzug aus Stahl. Das Wesen strahlte etwas Düsteres, körperlos Bedrohliches aus.
    Sein gesichtsloser Schädel wandte sich in meine Richtung, und obwohl es keine Augen oder sonstige sichtbare Sinnesorgane besaß, hatte ich für Sekunden das unangenehme Gefühl, durchdringend gemustert und eingeschätzt zu werden. Dann drehte es sich zu dem Templer um.
    Der Mann duckte sich wie unter einem Hieb und deutete mit einer überhasteten Bewegung auf mich.
    »Wir grüßen dich, o Bote jener in der Tiefe«, sagte er. »Sei bedankt, dass du unserem Ruf gefolgt bist, und nimm diesen Sterblichen als Opfer für deine Herren.«
    »Nur einer?«
    Die Stimme des Wesens klang, als versuche jemand mit Stimmbändern aus Stahl zu sprechen. Der Templer nickte hastig und machte eine demütige Geste.
    »Sobald die Sonne ein zweites Mal versunken ist, bringen wir mehr«, sagte er. »Ich verspreche es. Wir halten das Wort, das wir deinen Herrn gaben. Jener dort ist etwas Besonderes. Jene in der Tiefe werden zufrieden sein, denn er ist für fünfzig andere.«
    Für endlose Sekunden starrte ihn das Wesen mit seinem furchtbaren, augenlosen Gesicht an, dann drehte es sich – noch immer scheinbar schwerelos über dem Schacht schwebend – herum und streckte seine schrecklichen Spinnenhände nach mir aus …
     
    Shannon hatte die innere Mauer erreicht, ohne entdeckt oder aufgehalten zu werden. Sie war niedriger als die äußere Wand und leichter zu ersteigen. Und es gab weniger Wächter hier, deren Aufmerksamkeit sich zudem nach innen richtete, auf das Areal aus niedrigen Hütten, in denen die Gefangenen untergebracht waren.
    Shannon hatte ihren Rundgang studiert und war zu dem Schluss gekommen, dass ihm mehr als genug Zeit blieb, die Mauer zu überwinden und in den Schatten einer der Hütten zu huschen, ehe der Mann zurückkam, dessen Schritten er gerade lauschte. Er hatte den Vorteil des Unerwarteten auf seiner Seite.
    Die Männer wähnten sich sicher durch die zweite, nach außen gerichtete Verteidigungslinie in ihrem Rücken. Und sie hatten auf die zu achten, die versuchten, aus dem Lager herauszukommen, nicht hinein. Es würde nicht nötig sein, sie zu töten.
    Shannon dachte diesen Gedanken ohne das geringste Gefühl. Es war eine Entscheidung, die von rein logischen Gesichtspunkten diktiert wurde: Jeder Mann, den er ausschaltete, bedeutete die Gefahr, entdeckt zu werden, ganz gleich, wie vorsichtig und schnell er zu Werke ging.
    Es war die gleiche, gefühllose Logik, die ihn bewogen hatte, die Posten draußen auf der äußeren Mauer auszuschalten. Er empfand nichts bei dem Gedanken, fast ein halbes Dutzend Männer getötet zu haben, denn sie waren Feinde gewesen und der suggestive Befehl, mit dem Necron sein Denken gelähmt hatte, besagte einwandfrei, dass Feinde ausgeschaltet werden mussten. Shannon – der wirkliche Shannon – hätte sich bei diesem Gedanken vor Grauen gekrümmt, aber der Mann, der jetzt lautlos über die Zinnen der Mauer stieg und auf der anderen Seite hinunterhuschte, hatte wenig mit dem jungen Magier gemein. Necrons Wille beherrschte ihn vollkommen. Er war wenig mehr als eine Maschine, ein Automat, der ein bestimmtes Ziel hatte und dies unerbittlich verfolgte.
    Es gab einen Punkt, über den er nicht hinaus konnte, nicht einmal unter dem Einfluss von Necrons Willen, aber der Herr der Drachenburg hatte aus seinen Fehlern gelernt und Sorge getragen, dass Shannon diese Entscheidung erspart bleiben würde.
    Er wartete, bis der Wächter über ihm ein

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