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Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft

Titel: Hexer-Edition 10: Wer den Tod ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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weiteres Mal vorbeigegangen war und seine Schritte verklangen, dann lief er los, geduckt und die langsam wandernden Schatten der Wolken als Deckung ausnutzend. Als der Posten das nächste Mal vorbeikam, war er längst mit dem Schatten einer der Baracken verschmolzen.
    Shannons Blick glitt suchend über die scheinbar gleichförmigen Gebäude, bis er gefunden hatte, wonach er suchte. Es war das einzige Gebäude, in dem noch Licht brannte, und es war – obgleich auf den ersten Blick kein Unterschied zu bestehen schien – nicht ganz so verfallen und verdreckt wie die anderen Baracken.
    Lautlos überquerte er den Platz, wartete das nächste Vorübergehen des Postens ab und richtete sich auf, das Ohr dicht gegen das rohe Holz der Tür gepresst. Das Haus war nicht leer. In dem Raum hinter der Tür unterhielten sich zwei oder mehr Männer; er hörte das Klirren von Glas, dann das Scharren hölzerner Stuhlbeine auf festgestampftem Lehmboden, das Rascheln von Stoff.
    Mit einer entschlossenen Bewegung drückte Shannon die Türklinke herunter und trat ein.
    Direkt neben der Tür stand ein Mann, sehr groß, in der zerlumpten Kleidung, wie sie die Wächter trugen, ein Gewehr in den Händen und eine zerkaute Zigarre im Mundwinkel. Ihm gegenüber, auf den beiden Stühlen, deren Scharren Shannon gehört hatte, saßen zwei weitere Männer, der eine in eine blaue Uniform gekleidet und mit einem bandagierten Arm, der andere in einem höchst sonderbaren Gewand, das an das eines dämonischen Priesters erinnerte. Keiner der beiden war bewaffnet.
    Auf der anderen Seite des Zimmers, mit lässig vor der Brust verschränkten Armen, ein Gewehr mit einem aufgepflanzten Bajonett neben sich stehend, lehnte ein zweiter Wächter an der Wand. Shannon brauchte weniger als eine Sekunde, dies alles zu erfassen und zu handeln.
    Der Posten neben der Tür starb, ohne die Gefahr auch nur wirklich zu erfassen. Sein Kamerad auf der anderen Seite des Zimmers reagierte um eine Winzigkeit schneller – und falsch.
    Vielleicht hätte er eine Chance gehabt, hätte er den Sekundenbruchteil genutzt und sich in Sicherheit gebracht, denn nicht einmal ein Mann wie Shannon vermochte an zwei Orten gleichzeitig zu sein. So aber versuchte er nach seiner Waffe zu greifen, um den Eindringling zu erschießen.
    Er kam nicht einmal mehr dazu, das Gewehr zur Gänze zu heben. Shannon federte mit einem kraftvollen Satz über den Tisch hinweg, schlug seine Arme herunter, riss ihm das Gewehr aus den Händen und stieß mit dem Bajonett zu. Der Mann sank zu Boden.
    Shannon wirbelte herum und hob das Gewehr, schoss jedoch nicht. Ein Schuss hätte das ganze Lager alarmiert und gegen eine zwanzig- oder mehrfache Übermacht hätte wohl auch er keine Chance gehabt. Und selbst wenn – er war nicht hier, um ein Blutbad anzurichten, sondern aus einem anderen Grund.
    So zog er die Waffe dem ersten der beiden verbliebenen Männer blitzschnell über den Schädel. Noch während er zusammenbrach, drehte Shannon die Waffe herum und legte auf den letzten Gegner an.
    Dessen Reaktion kam selbst für Shannon überraschend.
    Er tat überhaupt nichts.
    Reglos und mit einem Ausdruck, der – wenn überhaupt – so allerhöchstens verwundert und eine Spur anerkennend wirkte – saß er da und blickte Shannon ruhig in die Augen. Seine Hände lagen flach nebeneinander auf dem Tisch, so, wie sie gewesen waren, als Shannon den Raum betrat.
    »Sie werden nicht schießen«, sagte er überzeugt.
    Shannon starrte den sonderbar gekleideten Mann misstrauisch an. Seine Ruhe warnte ihn. Es war die Ruhe eines Mannes, der sich unerschütterlich in Sicherheit glaubte.
    »Sind Sie so sicher?«, fragte er.
    Der andere nickte. Ein leises Lächeln stahl sich auf seine Züge, während er – ganz langsam, um Shannon nicht zu einer Unbesonnenheit zu verleiten – aufstand und die Hände vom Tisch nahm.
    »Das bin ich«, sagte er. »Aus zwei Gründen, mein Freund. Der erste ist der, dass Sie zweifellos ein intelligenter Mann sind; anders wäre es Ihnen kaum gelungen, bis hierher zu kommen. Sie wissen, dass Sie verloren sind, wenn Sie auch nur einen Schuss abgeben. Der andere ist, dass ich Sie kämpfen gesehen habe.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Shannon lauernd. Instinktiv wappnete er sich, falls der andere etwa versuchen sollte, ihn auf geistigem Wege anzugreifen, denn auch damit rechnete er jederzeit, nach allem was er auf dieser verfluchten Insel bisher gesehen hatte.
    »Sie sind ein Krieger«, sagte der andere.

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