Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod
des Krakatau her erscholl ein dumpfes, drohendes Grollen, wie um meine Gedanken zu unterstreichen. Harmfeld sah auf und blickte aus eng zusammengepressten Augen zur Caldera des Riesenvulkanes hinauf. Flammen und rot glühendes Gestein, das durch die große Entfernung wie ein Schwarm harmloser kleiner Fünkchen aussah, schossen gegen die tiefhängenden Wolken. Für einen Moment glaubte ich ein sanftes, aber ungemein machtvolles Zittern und Beben unter den Füßen zu spüren.
»Der Berg ist unruhig«, murmelte Harmfeld.
»Wird er ausbrechen?«, fragte ich.
»Ausbrechen?« Der Kapitän der Zuidermaar wiederholte das Wort mit sonderbarer Betonung, sah mich an und schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht«, sagte er. »Ich bin seit mehr als zehn Jahren hier, aber er ist noch nie ausgebrochen. Ein bisschen Gerumpel, ein paar Flammen … aber das war auch alles.« Er seufzte, wandte sich mit einem Ruck ab und blickte wieder zur Stadt hinüber. Die Flammen tobten wie eh und je, aber das Schießen und Schreien hatte abgenommen. Ich war mir nicht sicher, ob das wirklich ein gutes Zeichen war.
Plötzlich erscholl über uns der helle Laut einer Schiffspfeife. Harmfeld sah rasch zum Mast hinauf, wandte sich dann wieder der Insel zu und lehnte sich über die Reling, so weit er konnte. »Die Boote kommen zurück!« Einen Moment lang blickte er aus zusammengepressten Augen hinaus in die Dunkelheit, dann wandte er sich halb um und machte ein Zeichen mit der Hand. Sekunden später ertönte ein scharfer Knall und ein Magnesiumgeschoss stieg vom Deck der Zuidermaar auf und warf zuckendes, grell weißes Licht auf das Meer.
Harmfeld stieß einen entsetzten Schrei aus.
Statt der erwarteten Flotte kleiner Pinassen trieb nur ein einziger, massiger Umriss auf die Zuidermaar zu. Und es war auch kein Boot, sondern ein grässliches, braunschwarz glitzerndes Etwas, zuckend und peitschend wie ein Klumpen ekelhafter Gallerte, der auf einem Dutzend grotesk missgestalteter Beine über das Meer herangestakst kam!
»Das … das ist das Ungeheuer, das die Majundes entführt hat!«, keuchte ich. »Um Gottes willen, Harmfeld – wir müssen hier verschwinden!«
Aber es war, als würde der Kapitän der Zuidermaar meine Worte überhaupt nicht hören. Gelähmt und starr vor Schrecken stand er da und starrte die näher kommende Scheußlichkeit an. Die Leuchtkugel brannte aus, aber beinahe sofort stieg ein zweites Geschoss vom Deck des Schiffes auf und illuminierte das Ungeheuer.
Und endlich erwachte Harmfeld aus seiner Erstarrung.
Wenn auch auf andere Art, als mir lieb gewesen wäre. Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, fuhr er herum, begann wie wild mit den Armen zu fuchteln und Befehle in seiner Heimatsprache zu schreien. Sekunden später brach auf Deck der Zuidermaar eine geradezu hektische Aktivität los. Männer hetzten hierhin und dorthin, kletterten behände wie Affen in die Wanten hinauf oder schleppten Dinge durch die Gegend. Das Schiff begann zu zittern, als schlüge tief in seinem Rumpf ein gewaltiges, nervöses Herz.
Harmfeld wandte sich wieder der Reling zu. Über dem Meer verzischte die vierte Leuchtkugel und wurde von einer neuen abgelöst und in ihrem flackernden Schein konnte ich erkennen, dass das protoplasmische Ungeheuer schon mehr als die Hälfte der Entfernung zur Zuidermaar zurückgelegt hatte. Sein aufgedunsener Körper zuckte und bebte unentwegt und was im ersten Augenblick wie staksende Spinnenbeine ausgesehen hatte, erwies sich beim näheren Hinsehen als ein ganzer Strang peitschender, mannsdicker Tentakel, mit deren Hilfe es sich mit phantastischer Geschwindigkeit durch das Wasser wühlte. Noch wenige Augenblicke, dann würde es die Zuidermaar erreicht haben!
Aber es kam nicht dazu.
Harmfeld schrie einen Befehl und augenblicklich stieß eine orangerote Flamme aus dem Rumpf des Schiffes. Ein ungeheures Krachen erscholl und eine Sekunde später spritzte dicht vor dem Monstrum das Meer auf. Die Luft stank plötzlich durchdringend nach Pulverdampf. Harmfeld hob den Arm und eine zweite Kanone entlud sich donnernd. Diesmal war der Schuss besser gezielt.
Das Ungeheuer bäumte sich auf. Seine Tentakel begannen wie wild zu peitschen, und plötzlich war das Meer schwarz vom grässlichen Blut der Spottgeburt; große Brocken zerfetzten Plasmas wirbelten durch die Luft und klatschten ins Wasser zurück und ich sah, wie einer der schrecklichen Fangarme abgerissen wurde und zuckend im Meer versank. Ich wusste zwar, dass
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