Hexer-Edition 12: Die Hand des Dämons
konnte es sich nicht erlauben, den Hauptaktionär der ATC einfach zu versetzen. Wenn er noch nicht erschienen war, so gab es sicherlich Gründe für diese Verzögerung. Aber es mussten schon wirklich stichhaltige Gründe sein, wenn er meinen sich von Minute zu Minute steigernden Zorn beschwichtigen wollte.
Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis ich durch das Rauschen des Regens Hufschläge und das Rollen von Rädern vernahm; und die Gründe, die ich jetzt noch als Entschuldigung zu akzeptieren gedachte, bewegten sich irgendwo zwischen Bürgerkrieg und einem schweren Erdbeben.
Die Kutsche hielt dicht neben der Station. Auf dem Bock saß ein Mann mit einem Zylinder, unter dem ein nichtssagendes Gesicht hervorlugte. Desinteressiert musterte er mich, während er die zwei Pferde zum Stehen brachte. Ich erwiderte seinen Blick so feindselig, wie ich nur konnte.
Der Schlag der Kutsche wurde aufgestoßen und ein weiterer Mann stieg aus. Schnaufend kam er auf mich zugerannt. Carringham – um niemand anderen konnte es sich handeln – neigte zur Dickleibigkeit, und sein Gang erinnerte durch die entschieden zu kurz geratenen Beine an das Watscheln eines Pinguins. Er reichte mir nicht einmal bis zum Kinn, doch er strahlte etwas aus, das mich davor warnte, ihn zu unterschätzen.
Seine blonden Haare waren gewellt und sein aufgedunsenes Gesicht wies hektische rötliche Flecken auf, die ihn als hysterischen Choleriker kennzeichneten. Seine wässrigen blauen Augen strahlten eine Art väterliche Güte aus, aber das energisch vorgestreckte Kinn verriet, dass er über einen entschlossenen Willen verfügte. Ein Winkeladvokat, der sich mit Paragraphen und Bestimmungen auskannte, und der sicherlich rücksichtslos seine Ellenbogen gebrauchte, um auf der Karriereleiter höher zu steigen. Nun, was das anging, so nahm ich mir schon jetzt vor, ein paar Sprossen aus dieser Leiter herauszusägen.
»Ich bin Ephraim Carringham«, stellte er sich vor. In seinem Blick lag der Ausdruck tiefen Bedauerns, dazu eine Art hündischer Unterwürfigkeit, die er sicherlich jedem Vorgesetzten gegenüber an den Tag legte. Ich beschloss, ihn dafür noch ein bisschen weniger zu mögen.
Er reichte mir die Hand. Seine Finger waren feucht und seine Händedruck kraftlos. Carringham war mir vom ersten Moment an unsympathisch. Ich versuchte gar nicht erst, meine Antipathie zu verbergen.
»Robert Craven. Sie kommen spät«, sagte ich mit mühsam unterdrücktem Zorn. »Ich hoffe, Sie hatten einen guten Grund, mich so lange warten zu lassen. Es regnet, wissen Sie?«
Er wich einen halben Schritt zurück und seine Gesichtsfarbe wurde einen Ton rötlicher. Doch er hatte sich sofort wieder in der Gewalt. Die Fronten waren abgesteckt; ich wusste, dass ich mir durch mein barsches Auftreten nicht gerade einen neuen Freund geschaffen hatte. Aber er spielte seine unterwürfige Rolle mit der schleimigen Art eines Intriganten weiter. Devot verneigte er sich. Ich musste an mich halten, um nicht hinter ihn zu treten und ihm einen Tritt in den fetten Hintern zu verpassen.
»Es ist nicht meine Schuld, Mr. Craven. Der Regen hat die Wege aufgeweicht und die Kutsche blieb im Morast stecken. Der Weg zur Bahnstation ist eine Katastrophe, und der faule Kerl hier« – er deutete auf den Kutscher – »hat lange gebraucht, um das Gefährt wieder freizubekommen.«
Ich hätte darauf wetten können, dass er nicht einen Finger gerührt hatte, dem Kutscher dabei zu helfen, und die Schuld jetzt trotzdem weit von sich schob. Trotzdem verbiss ich mir eine weitere Bemerkung. »Können wir jetzt endlich fahren? Ich hoffe, Sie haben wenigstens ein anständiges Hotelzimmer für mich buchen können?«, sagte ich steif.
»Aber natürlich«, antwortete er eilfertig. »Es wird alles zu Ihrer Zufriedenheit sein. Das PALACE ist das beste Hotel im Umkreis von fünfzig Meilen und ich habe das beste Zimmer reserviert.«
»Und wahrscheinlich das teuerste«, fügte ich spitz hinzu. »Interessant, wie Sie mit den Geldern der Gesellschaft verfahren.«
Carringham sah mich irritiert an, besaß aber die Klugheit, nicht weiter auf meine Bemerkung einzugehen. Ich wusste selbst, dass ich alles andere als fair war. Aber, zur Hölle, nach dieser Reise, der langen Wartezeit und allem, was ich in den Wochen davor durchgemacht hatte, war ich einfach nicht mehr in der Verfassung, fair zu sein.
Der Regen hatte nachgelassen. Es nieselte nur noch ein wenig, als wir zur Kutsche gingen. Ich verstaute mein Gepäck und
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