Hexer-Edition 18: Endstation Hölle
wirklich nich klopfen«, meinte er. »Vielen Dank auch für die Auskunft.«
Ein kaum erkennbares Kopfnicken des Professors folgte auf seine Worte. Moriarty ließ ihn einfach stehen, schritt mit unregelmäßigem Gang an den Häuserfassaden entlang und verschwand in einer kleinen Seitengasse. Rowlf sah ihm mit gerunzelter Stirn nach.
»’n Moment noch!«, rief er ihm nach, dann setzte er sich in Bewegung und rannte hinter Moriarty her. »Warten Se, ich wollt doch fragn, wohin er gereist is!« Er erreichte die Ecke und blickte in die Gasse hinein. Sie war überschaubar bis zur nächsten Querstraße, die gut hundert Yards entfernt lag. Und sie war leer. Moriarty war spurlos verschwunden.
Rowlf schüttelte ungläubig den Kopf und wischte sich über die Augen. Das war unmöglich! Bis zum nächsten Hauseingang waren es ebenfalls mindestens vierzig Yards. Bei Moriartys Schritttempo konnte der Mann noch gar nicht so weit sein.
Rowlf senkte den Kopf und starrte auf das Gitter des Abwasserschachtes an der Ecke. Ein fürchterlicher Gestank zog zu ihm empor und irgendwie erinnerte er ihn an die Ausdünstung des Doktors. Aber auch durch diesen Kanal konnte der Professor unmöglich verschwunden sein; dafür war der Einstieg viel zu eng. Er zuckte mit den Schultern und machte sich auf den Rückweg zum Ashton Place. Viel hatte er nicht erreicht und je weiter er sich von der Savile Row entfernte, desto mehr erkannte er, dass er sich ausgesprochen dämlich verhalten hatte. Warum hatte er nicht doch geklopft und Mrs. Fogg nach dem Reiseziel ihres Mannes gefragt?
Aber dann kehrte Rowlf doch nicht um, sondern beschleunigte im Gegenteil seine Schritte, um Howard die Nachricht zukommen zu lassen und sich mit ihm zu beraten, wie sie weiter vorgehen sollten. Und als er endlich vor dem Eingang der Nummer 9 stand, war er so wütend auf sich selbst, dass er sich mit der Faust gegen den Schädel schlug, was Harvey beim Öffnen der Tür dazu veranlasste, dieselbe schleunigst wieder zu schließen, bis Rowlf ihn aufklärte, was eigentlich los war. Der Hüne stürmte hinauf in die Bibliothek, wo Howard hinter dem Schreibtisch saß, die unvermeidliche schwarze Zigarre im Mund. Er blätterte in einem Buch und durch die Rauchschwaden sah Rowlf, dass es ein Kartenfoliant war.
»Er ist auf Weltreise«, stieß er hervor. »Irgendwo!«
»Es steht in der Morgenzeitung«, lächelte Howard und deutete auf den Schreibtisch. »Aber niemand weiß, welche Route er genommen hat, nachdem er Dover verließ. Er befindet sich nur in Begleitung seines Dieners.«
Rowlf berichtete von der Begegnung mit Moriarty und dessen spurlosem Verschwinden. Howards Gesicht wurde steinern. Er legte den Folianten beiseite und zog die Zeitung zu sich heran, blätterte einen Moment darin und verharrte mit dem Finger auf einer Nachricht.
»Vorletzte Nacht wurde am St. Katharina Marina Dock ein Mann ermordet. Vermutlich mit Säure. Man fand die Gebeine unmittelbar unter der Kaimauer. Ein paar Knochen waren auf eine Planke gefallen, die von einem der kleineren Schiffe auf einen Holzsteg führte.«
»Un was hat das damit zu tun?«
»Wie, sagtest du, stank Moriarty?«
»Wie Mist. Oder Aas. Ach, ich weiß nich.«
»Oder wie ein Shoggote!« Howard sprang auf, klappte den Folianten zu und faltete die Zeitung zusammen. »Moriarty hängt mit diesen ganzen Vorfällen zusammen, mit dem Shoggoten in diesem Haus und allem, was es da sonst noch geben könnte.«
»Aha!«, machte Rowlf und folgte seinem Freund, der rasch die Bibliothek verließ. Harvey arbeitete an der beschädigten Wand. Er klopfte den brüchigen Gips weg und kehrte den Dreck zusammen. Die Holztrümmer hatte er durch die Öffnung hinunter auf den Kiesweg geworfen.
»Sir, am Nachmittag kommen die Handwerker«, sagte er. »Sie werden eine neue Tür einsetzen und die Täfelung erneuern. Die steinerne Brüstung des Balkons und die Schäden an der Treppe werden erst in ein paar Tagen beseitigt sein!«
»Danke, Harvey«, meinte Lovecraft. »Es hat Zeit.«
Er wandte sich zur Treppe und stieg vorsichtig hinab. Nichts wies mehr darauf hin, dass dieses Haus kein gewöhnliches Haus war. Er machte sich Gedanken über seinen Traum und über die Deutung des magischen Dreiecks an der Wand. Er hatte instinktiv gewusst, dass die Botschaft für ihn bestimmt war. Dabei war es logischer anzunehmen, dass sie Robert galt. Doch Howard hatte Erfahrung mit solchen Dingen, wenn ihm auch die Begabung fehlte, wie sie in Robert schlummerte. Er
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