Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel
dem Gürtel – und begann, nur einen Zoll von meinen Fingern entfernt, an der Wurzel zu säbeln.
»Um Gottes willen, hör auf!«, keuchte ich.
Madur grinste noch breiter und verdoppelte seine Anstrengungen. Die Wurzel war sehr zäh, aber sein Dolch auch sehr scharf und Madur war alles andere als ein Schwächling. Und selbst, wenn er es nicht schaffte – was sollte ihn daran hindern, statt an der Wurzel an meinen Fingern herumzusäbeln?
»Hilf mir doch!«, keuchte ich. »Ich bin dein Freund, hast du das schon vergessen?«
Madur schüttelte den Kopf, sah mich mit gelindem Interesse an und säbelte weiter. »Nein«, erklärte er ernsthaft. »Würde ich dich für einen Feind halten, wärst du schon längst tot.« Er bleckte seine gelben Zähne zu einem Grinsen, setzte sich gemütlich auf die Wurzel, an der er gerade herumgeschnippelt hatte, und trat mit den Fußspitzen nach meinen Fingern. Er traf und es tat gemein weh, aber ich ließ nicht los. Zehn gebrochene Finger waren allemal besser als zwei Lungen voller Schlamm.
Schließlich gelang es mir mich so weit aus dem Sumpf zu ziehen, dass ich wie ein ungeschickter Schwimmer auf seiner Oberfläche lag.
Madur seufzte, hob einen mannslangen Ast auf – und drückt meine Beine wieder in die Tiefe.
Ich gab endgültig auf. »In Ordnung«, murmelte ich. »Du hast gewonnen, Madur. Was willst du – meinen Tod?«
Madur schüttelte sehr ernst den Kopf. »Die Wahrheit«, sagte er. »Du stammst nicht aus dem Conden-Turm. Aber du gehörst auch nicht zu Ancen. Wer bist du?«
»Das habe ich dir doch bereits erklärt«, sagte ich verzweifelt. »Sill und ich kommen aus -«
»Aus einer anderen Welt, ich weiß«, fauchte Madur zornig. »Aber ich will die Wahrheit wissen, Robät. Es gibt keine andere Welt. Wer bist du? Ein Abtrünniger?« Er beantwortete seine eigene Frage mit einem Kopfschütteln. »Du bist ein Zauberer«, murmelte er. »Wenn auch kein besonders starker. Aber du hast mich mit Zauberkräften angegriffen.« Er lehnte sich zurück, verschränkte gemächlich die Arme vor der Brust und sah zu, wie ich weiter versank.
Mit verzweifelter Kraft versuchte ich mich aus dem Sumpf zu zerren. Madur runzelte die Stirn und hob den Fuß. Ich stellte meine ungeschickten Schwimmbewegungen ein und starrte ihn finster an.
»Ich weiß nicht, was ich mit dir tun soll«, sagte Madur. »Mein Instinkt rät mir, dich einfach absaufen zu lassen. Gleichzeitig …« Er seufzte, stand mit einer ruckhaften Bewegung auf und trat ganz dicht an den Sumpf heran, wobei er mir rein zufällig auf die linke Hand trat. Ich verbiss mir mit letzter Mühe einen Schmerzlaut.
»Kann ich dir trauen, Robät?«, fragte er.
»Natürlich«, antwortete ich böse. »Ebenso wie ich dir.«
Madur lachte, beugte sich vor und ergriff mich bei der Schulter. Ohne sichtliche Anstrengung zerrte er mich aus dem Sumpf heraus, stellte mich fast behutsam auf die Füße – und versetzte mir eine schallende Ohrfeige, die mich gegen einen Baum taumeln und kraftlos zusammenbrechen ließ.
Als sich die Schlieren vor meinem Blick lichteten, stand er über mir, leicht nach vorne gebeugt, die Hände auf den Oberschenkeln abgestützt. Er lächelte, aber seine Augen blieben ernst. »Das war ich dir noch schuldig«, sagte er.
Ich stöhnte, hob die Hand an den Kopf und betastete mit spitzen Fingern meine Wange. Mein Gesicht fühlte sich an, als hätte mich das sprichwörtliche Pferd getreten. Das, was geschehen wäre, hätte Madur mit voller Kraft zugeschlagen, wagte ich mir gar nicht erst vorzustellen.
»Du wirst mitkommen«, sagte er. »Ich weiß nicht, wer du bist, Robät, aber du gehörst nicht zu Ancen. Jedenfalls glaube ich es nicht. Wenn doch, wird Mereda es schnell merken. Und dann …« Er seufzte, richtete sich auf und machte eine befehlende Geste. »Los jetzt. Und versuche nicht noch einmal, mich mit deinen Zaubertricks anzugreifen. Das nächste Mal töte ich dich wirklich.«
Er zerrte mich auf die Füße, als ich nicht schnell genug aufstand, und versetzte mir einen rüden Stoß, der mich um ein Haar erneut in den Sumpf hätte stolpern lassen.
»Sill!«, keuchte ich. »Wir können sie nicht hier zurücklassen, Madur!«
Madur schürzte die Lippen. »Sie ist eine Frau«, sagte er, in einem Ton, als wäre dies allein Grund genug, nicht weiter über diese Frage zu diskutieren. »Außerdem ist sie verletzt. Sie stirbt sowieso.«
»Wir nehmen sie mit«, beharrte ich.
Madurs Gesicht rötete sich vor Zorn. Aber der
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