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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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mich nicht widersetzen konnte. Ich wankte einen Schritt zurück, ließ mich gegen einen Baum sinken und versuchte die Schmerzen zu ignorieren, die in meinen Armen und Schultern wühlten. Meine Muskeln hatten sich in einen einzigen großen Krampf verwandelt.
    »Wir müssen noch warten«, flüsterte Madur. »Jemand ist in unserer Nähe. Vielleicht eine Sree-Patrouille von Ancen.«
    Ich lauschte ebenfalls, konnte jedoch nichts Verdächtiges hören. Möglicherweise verfügte Madur über Sinne, die schärfer waren als meine. Vielleicht auch gänzlich andere. Dass er wie ein Mensch aussah, musste nicht unbedingt bedeuten, dass er auch einer war.
    Nach einer Weile entspannte er sich und atmete hörbar auf. »Alles in Ordnung«, sagte er. »Sie sind weg.« Er warf mir einen halb unwilligen, halb aber auch besorgten Blick zu, straffte mit einem Ruck die Schultern und deutete nach vorne. »Weiter. Wir haben den See fast erreicht. Mit etwas Glück stoßen wir auf eine unserer Sree-Patrouillen.«
    Die endlose Tortour setzte sich fort. Ich wusste nicht genau, was Madur unter dem Wort fast verstand, aber ich betete zu allen Göttern, von denen ich je gehört hatte, dass er niemals auf die Idee kommen möge, mir zu erklären, dass der Weg noch weit war. Es waren vielleicht zwei Meilen, bis wir den See erreichten, aber zwei Meilen, die ich mich durch einen schier undurchdringlichen Dschungel kämpfen musste, unentwegt gegen Bäume oder stachelige Büsche rannte, bis zu den Knöcheln im Morast versank oder mir die Füße auf rasiermesserscharfer Lava aufriss. Es war die Hölle.
    Nach einer Ewigkeit erreichten wir den Waldrand. Der Dschungel hörte wie abgeschnitten auf und vor uns erstreckte sich ein runder, vielleicht eine Meile durchmessender See, der unter dem dunkelblauen Himmel aus Wasser beinahe schwarz schimmerte. Ich glaubte Bewegung darin zu erkennen, etwas wie ein gewaltiger schuppiger Leib, der sich seiner Oberfläche näherte und wieder versank, kurz bevor er sie durchbrach, war aber viel zu müde, einen zweiten Blick darauf zu werfen. Erschöpft ließ ich mich gegen eine riesige Luftwurzel sinken, bettete Sill neben mir auf dem weichen Moos, das den Boden bedeckte, und schloss die Augen. Ich war so müde.
    »Du wartest hier«, befahl Madur knapp. »Ich erkunde das Ufer. Versuche nicht zu fliehen, denn entweder würde ich dich wiederfinden oder du fällst den Ancen-Honks in die Hände.« Er wartete meine Antwort nicht ab, sondern verschwand mit einer für einen Mann seiner Größe und Masse erstaunlichen Lautlosigkeit im Unterholz.
    Fliehen?, dachte ich. Fast hätte ich gelacht. Ich hatte ja kaum noch die Kraft auf eigenen Beinen zu stehen – geschweige denn zu fliehen. Und wohin wohl auch?
    Madur kam schneller zurück, als ich erwartet hatte. Er trug zwei Lederbeutel über der Schulter. Einen davon reichte er mir mit einem Grinsen, das so gar nicht zu seiner schlechten Laune von vorhin passte. Doch ich war zu durstig und zu erschöpft, um dem seltsamen Funkeln in seinen Augen irgendeine Bedeutung zuzumessen.
    Ich öffnete die Schnur, mit der der Beutel verschlossen war, und wollte Sill von dem Wasser geben. Doch da kniete Madur schon neben ihr nieder und setzte ihr die Öffnung des anderen Beutels an die Lippen. Ich wunderte mich zwar über seine plötzliche Fürsorge, doch als ich Sill gierig trinken sah, gab es für mich auch kein Halten mehr.
    Das Wasser schmeckte ein wenig schal und hatte einen seltsam fruchtigen Nachgeschmack, der meinen Durst nachhaltig löschte. Ich trank mit großen, gierigen Schlucken, beugte mich zu Sill herab und versuchte, auch ihr einige Tropfen Flüssigkeit einzuflößen, aber ihre Lippen, rissig und aufgeplatzt vom Fieber, öffneten sich nicht. Ihr Zustand begann mir allmählich mehr als nur Sorge zu bereiten. Aber es gab im Moment nichts, was ich für sie tun konnte.
    Ich reichte Madur den Schlauch zurück. Sorgfältig knotete er ihn wieder zu, warf ihn achtlos zu Boden und sah auf den See hinaus, als suche er etwas Bestimmtes. Dann ließ er sich auf Sills andere Seite auf die Knie sinken und betastete mit kundigen Fingern ihren Hals und ihr Gesicht.
    »Sie hat hohes Fieber«, stellte er fest.
    Ich schwieg. Sill hatte mehr als hohes Fieber. Sie starb. Wenn kein Wunder geschah, würde sie diesen Tag nicht überleben.
    Der Gedanke trieb mich fast in den Wahnsinn. War es wirklich mein Fluch, allen, die das Pech hatten, meinen Weg zu kreuzen, immer nur Unheil und Tod zu bringen.
    »Du liebst

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