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Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel

Titel: Hexer-Edition 19: Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Doch dann war die Entwicklung von Anehs Fähigkeiten weit hinter den ihren zurückgeblieben. Mereda fühlte instinktiv, dass Aneh nur darauf lauerte, sie zu ersetzen. Auch Tonns Gedanken waren in seinem Gesicht wie in einem Buch zu lesen: Lieber eine Bewahrerin mit geringen Fähigkeiten, als eine, die sich bei ihren Beschwörungen übernimmt. Und er war zornig. Zornig, weil sie sich so offen auf Madurs Seite gestellt hatte. Tonns Aussichten, damit in absehbarer Zeit zum Kriegshauptmann des Conden-Turmes aufzusteigen, waren damit praktisch auf Null gesunken.
    Doch obwohl Mereda in diesem Augenblick so schwach war, dass es sie ungeheure Mühe kostete, überhaupt die Augen offen zu halten, und so sehr ihr die geistige Vergewaltigung ihrer Kräfte zu schaffen machte – sie war nicht bereit, ihren Platz als die Herrin von Conden abzugeben, vor allen nicht an eine Frau, die sie aus tiefster Seele verachtete. Nicht jetzt. Nicht, wenn … wenn es wirklich er war, der kam. Er, von dem die Alten Lieder sangen.
    Sie nahm Xird energisch den zweiten Becher aus der Hand und setzte ihn an die Lippen. Diesmal ließ sie sich jedoch beim Trinken Zeit und genoss jeden Tropfen der heißen, Kraft spendenden Droge. Sie wusste um die Gefahr, die die dunkelbraune Flüssigkeit darstellte. Sie verlieh ihr schier übermenschliche Kräfte, aber ein Tropfen zu viel … Sie wäre nicht die erste Adeptin, die als ausgebranntes Wrack aus der Trance erwachte, ein Körper, der unversehrt war, aber leer wie ein Puppe.
    Sie verscheuchte den Gedanken. Noch während sie trank, begann ihre Seele abermals zu wandern. Obwohl sie nicht erwarten konnte, Madurs Gedanken auf die gewaltige Entfernung zum Ancen-Turm hinweg zu empfangen, rief sie nach ihm.
    Sie erschrak beinahe, wie rasch und vor allem wie kräftig seine Antwort kam. Die Erleichterung darüber ließ einen Teil ihrer Sorge verfliegen. Madur war gefährlich, aber er hatte sicher kein Interesse daran, eine Aneh, die sichtlich seinen Stellvertreter Tonn vorzog, als neue Bewahrerin von Conden zu sehen.
    Mereda verband sich enger mit Madurs Unterbewusstsein und versuchte durch seine Augen zu blicken. Sie erschrak ein zweites Mal, als sie erkannte, wie nahe er dem Ancen-Turm war, und ein drittes Mal, als sie den Mann erblickte, der neben ihm stand. Es war der fremde Hexer, der Mann mit den Haaren im Gesicht und der weißen Strähne auf dem Kopf …
    Mühsam drängte sie ihre Erregung zurück, konzentrierte sich einen Moment und hob die Arme. Die beiden Adepten rechts und links neben ihr ergriffen ihre Hände, der Kreis schloss sich. Kraft durchströmte Mereda. Nicht annähernd so viel, wie sie der alte Magierkreis aufgebracht hätte. Aber sie musste reichen. Sie musste einfach. Wenn der Mann mit der sonderbaren Haartracht wirklich der war, für den sie ihn hielt, dann war dies vielleicht das letzte Mal, dass sie sich zur Verteidigung gegen die Ancen-Honks zusammenschließen mussten.
    Während Mereda ihre Gedanken sorgsam gegen die anderen abschirmte, damit keiner von ihrem Verdacht erfuhr, nahm ein anderer Teil ihres Bewusstseines vorsichtig Kontakt zu Madur auf.
    Gleichzeitig begann sie zu singen.
     
    Das blaue Licht hatte uns verschlungen wie Nebel, kaum dass wir die Kammer und den anschließenden Tunnel verlassen hatten. Für eine gute halbe Stunde stapften wir durch diesen blau leuchtenden, sonderbar kalten Nebel, dann wurde die Sicht allmählich besser; gleichzeitig wurde es wärmer. Schließlich erreichten wir eine weitere, jäh aufsteigende Felswand, in der ein kaum mannshoher Durchgang klaffte. Madur schlug vor, eine kurze Rast einzulegen und ich hatte wahrlich nichts dagegen einzuwenden. Sill war alles andere als ein Schwergewicht, aber wir trugen sie sehr behutsam, um sie nicht zu wecken und ihr keine unnötigen Schmerzen zuzufügen. Meine Arme fühlten sich jetzt schon an wie Blei. Auf meine Frage, wie weit es bis zum Conden-Turm war, hatte Madur mit »sieben oder acht Inklis« geantwortet. Ich verzichtete vorsichtshalber darauf ihn zu fragen, was ein Inklis war.
    Während wir rasteten, versorgte ich Sills Wunde – jedenfalls begann ich damit. Madur sah mir einen Moment kopfschüttelnd dabei zu, scheuchte mich dann mit einer knappen Geste beiseite und zauberte eine Art Verbandspäckchen aus den Taschen seiner Kleidung. Mit Hilfe einer farblosen, sehr schlecht riechenden Salbe und eines dünnen weißen Gazestoffes versorgte er ihre Schulter, riss dann kommentarlos einen weiteren Streifen aus

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