Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod
sie!«
Seine Stimme sollte wohl fest und überlegen klingen, doch sein Blick wanderte dabei eher ängstlich zu dem grün schimmernden Tor, durch das wir gekommen waren. Es war nicht schwer, seine Gedanken zu erraten: Er versuchte mich hinzuhalten, bis Mordred kam.
Nimués Blick befahl mir weiterzugehen.
Gawain wich, Nimué hinter sich herziehend, vor mir zurück, bis sein Rücken die Wand berührte. »Ich warne dich zum letzten Mal. Wenn du nicht stehen bleibst, ist Nimué tot!« Obwohl sich seine Stimme vor Nervosität überschlug, fühlte ich, dass er es diesmal ernst meinte.
Ich zögerte und sah Nimué fragend an.
»Spring!«, hämmerte ihr geistiger Befehl.
Ich sprang.
Mit einem einzigen Satz war ich bei den beiden und stach mit dem Degen zu. Die Klinge fuhr eine Handbreit über Nimués Schopf hinweg und bohrte sich tief in Gawains Kehle. Irgendetwas war falsch. Ich wusste nicht, was, aber in der Zehntelsekunde, in der ich zustieß, hatte ich plötzlich das Gefühl, einen entsetzlichen Fehler zu begehen. Gleichzeitig war ich unfähig, irgendetwas dagegen zu tun. Nimué beherrschte mich so mühelos wie eine Puppenspielerin eine Marionette.
Gawains Augen weiteten sich vor Erstaunen. Er taumelte, versuchte zu schreien und brachte nur einen würgenden, entsetzlichen Laut hervor. Dann kippte er gegen die Wand und sank ganz langsam in sich zusammen.
Noch im Sterben versuchte er Nimué mit dem Schwert zu treffen, aber seiner Bewegung fehlte schon die Kraft. Sie schlug ihm mit der Handkante gegen den Schwertarm und tauchte unter der Klinge weg. Bevor Gawain reagieren konnte, trat ich mit aller Kraft zu und prellte ihm das Schwert aus der Hand.
Er sah der davonfliegenden Klinge nach und streckte noch die Hand aus, um sie zu ergreifen. Dann fiel er zur Seite und blieb zusammengekrümmt auf dem Steinboden liegen.
Nimué wandte sich ungerührt ab und fluchte leise vor sich hin.
»Wir hatten mehr Glück als Verstand, Robert. Ich hätte wissen müssen, dass das eine Falle ist!«, sagte sie wütend. »Ich frage mich nur, warum Mordred nicht hinter uns her gekommen ist, um uns den Garaus zu machen.«
»Was hättest du gemacht, wenn Gawain wirklich ernst gemacht hätte?« Das Sprechen fiel mir schwer. Das Gefühl, einen Fehler begangen zu haben, wurde stärker in mir. Was war nur mit mir los?
Nimué sah mich verwundert an.
»Die Frage sollte eher lauten, was du dann gemacht hättest«, sagte sie. »Aber keine Sorge, Gawain hätte mich nicht töten können. Ich habe seinen Willen, es zu tun, blockiert.«
Mir wurde übel. Ich hatte geglaubt, Nimué aus höchster Todesgefahr zu retten und hatte dabei nur einen wehrlosen Mann umgebracht …
Mit zitternden Händen zog ich mein Taschentuch aus der Weste und wischte das Blut von der Klinge ab. Ich bemühte mich dabei, den Toten nicht anzusehen.
Nimué sah mir spöttisch lächelnd zu und schüttelte den Kopf. »Du hast dich wirklich sehr verändert!«
»Was hast du gesagt?« Ich bemühte mich krampfhaft, sie nicht anzusehen. Vielleicht hätte ich in der Wahl meiner Verbündeten etwas sorgfältiger sein müssen. Mein Gott, der Mann war wehrlos gewesen!
»Ach, nichts«, sagte Nimué rasch. »Nur dass wir jetzt weiter müssen. Wenn wir uns nicht beeilen, haben wir Mordred schneller am Hals, als uns lieb sein kann. Komm!«
Nimué winkte mir, ihr zu folgen.
Modrige, feuchte Luft schlug uns entgegen, als sie die Tür zum Korridor öffnete. Eine große Spinne hing an einem Faden von der Decke herab und sah uns aus grün leuchtenden Augen an.
Ich spürte die Feindseligkeit des Tieres beinahe, ehe ich es sah. Nimué hingegen schenkte der Spinne keine Beachtung und schritt unter ihr hindurch.
Im selben Augenblick ließ sich die Spinne fallen.
Nimué schrie gellend auf und taumelte gegen die Wand. Ihre Hände griffen in den Nacken, um die Spinne zu ergreifen. Doch diese saß genau zwischen ihren Schulterblättern – an einer Stelle, die Nimué mit ihren Fingern nicht erreichen konnte.
»Hilf mir, Robert! Die Spinne bringt mich um!«, schrie Nimué verzweifelt und versuchte dabei das Tier an der Wand zu zerquetschen.
Mit einem Satz war ich bei ihr – aber ich hatte keine Ahnung, wie ich ihr helfen konnte. Sie schrie vor Schmerzen und schien mich nicht einmal mehr zu erkennen. Als ich sie an den Schultern fasste, schlug sie mit ihren Händen nach mir und rieb gleichzeitig ihren Rücken wie verrückt an der Wand.
Ich packte ihre Arme, hielt sie fest und schüttelte sie.
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