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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zugleich, wie berechtigt das Gefühl der Gefahr gewesen war, das mich hier herunter getrieben hatte.
    Boris versuchte sich loszureißen, aber der Junge, der kaum anderthalb Meter groß und eher schmalschultrig gebaut war, hielt ihn mit eiserner Kraft fest und zerrte ihn im Gegenteil sogar noch ein Stück an sich heran, und plötzlich stürmten die anderen, wie auf ein gemeinsames Kommando hin los und fielen über den Riesen her. Mit einem keuchenden Schrei kippte Boris nach hinten und wieder ins Haus hinein, wo er unter dem halben Dutzend winziger Angreifer zu Boden ging. Eines der Kinder ließ ihn wieder los, fuhr herum und warf wuchtig die Tür ins Schloss, während die anderen weiter mit Fäusten und Fingernägeln, Zähnen und Füßen auf ihn einschlugen, – traten und – kratzten.
    »Das darf doch nicht wahr sein!«, sagte Viktor. »Na wartet! Den Bälgern werde ich –«
    »Viktor! Nicht!«, schrie ich verzweifelt. Diesmal gehorchte mir meine Stimme. Und aus irgendeinem Grund nahm Viktor die Warnung tatsächlich ernst.
    Vielleicht hatte er einfach einen Sekundenbruchteil vor mir gesehen, was sich unter uns in der Halle abspielte.
    Die Kinder waren plötzlich keine Kinder mehr. Ihre Haut verlor alle Farbe und wurde schwarz; ein Schwarz von einer Tiefe und Stumpfheit, wie ich es nie zuvor im Leben gesehen hatte. Zugleich verblich auch die Farbe ihrer Kleidung und ihres Haares und eine Sekunde später schienen auch alle übrigen Unterschiede zu verschwimmen. Ihre Körper schienen sich gleichermaßen aufzulösen, Teil ihrer Kleidung, ihres Schuhwerks und alles anderen zu werden, was sie am Leib getragen hatten, als wäre das alles gar nicht wirklich, sondern nur aufgemalt gewesen. Und eine Sekunde später begannen sie auch ihre Form zu verlieren. Die Gesichter fielen ein, waren plötzlich nur noch leere schwarze Flächen ohne Mund, Nase oder Augen, die Finger der Hände schmolzen zusammen, Arme und Beine krochen in die Körper zurück, bis Boris – kaum eine Sekunde, nachdem er zu Boden gestürzt war – nicht mehr unter einem halben Dutzend Kinderkörper, sondern wie von einer Meute übergroß geratener, schwarzer Amöben begraben dalag. Er gab keinen Ton von sich, obgleich er noch bei Bewusstsein war und sich bewegte, und auf seinem Gesicht war nicht einmal wirklicher Schrecken zu erkennen, sondern nur ein Ausdruck fassungslosen Staunens.
    »Mein Gott!«, flüsterte Viktor. »Was ist das?«
    Diesmal war ich es, der die Gefahr einen Sekundenbruchteil eher registrierte. »Zurück!«, schrie ich. »Um Gottes willen, Viktor – zurück!«
    Die körperlosen schwarzen Ungeheuer hatten von Boris abgelassen. Nur eine einzige der Bestien hockte noch auf seiner Brust, wobei ihr Balg in schnellem Rhythmus zuckte und bebte. Ich hörte ein fürchterliches Mahlen und Saugen und musste plötzlich an eine kannibalische Riesenschnecke denken, die ihr Opfer zu Boden geworfen hatte. Aber ich ließ es nicht zu, dass der Schrecken Besitz von mir ergriff, denn auch Viktor und ich befanden uns in Lebensgefahr, wie mir schlagartig klar wurde.
    Nach ihrer Transformation hatten die schwarzen Ungeheuer tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit zu groß geratenen, hauslosen Schnecken, aber sie besaßen keineswegs die Langsamkeit ihrer kleineren Brüder, sondern bewegten sich im Gegenteil erschreckend schnell und fast elegant auf die Treppe zu. Feuchte, schleimig glitzernde Spuren blieben auf dem Marmorfußboden zurück, wo sie entlangkrochen, und ich registrierte ganz nebenbei, dass sich diese Spuren wie Säure in den Stein hineinfraßen.
    Viktor wirbelte auf dem Absatz herum und rannte auf mich zu. »Laufen Sie, Robert!«, schrie er. »Schnell!« Er erreichte mich, rannte an mir vorüber und griff nach mir. Der Ruck, mit dem er mich herum und hinter sich herzerrte, riss mich fast von den Füßen, aber der Anblick der näher kriechenden Bestien verlieh mir schier übermenschliche Kraft. Ich stolperte hinter ihm her, brachte es irgendwie fertig, nicht zu stürzen und auf den letzten Metern sogar aus eigener Kraft mit ihm Schritt zu halten, und sah erst wieder zurück, als wir den Korridor am oberen Ende der Treppe erreicht hatten.
    Die Ungeheuer waren ein Stück zurückgefallen. So schnell sie auf ebenem Boden waren, so große Schwierigkeiten schienen sie dabei zu haben, die Treppe zu überwinden. Eines war ganz zurückgefallen und mühte sich noch immer vergeblich an der untersten Stufe ab, die vier übrigen waren weit auseinander

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