Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I
auszufüllen.«
»Also bin ich jetzt überzählig«, sagte ich bitter.
»Du bist kein normaler Mensch wie alle anderen, Robert«, fuhr Shadow ungerührt fort. »Die Kräfte, die dir dein Vater hinterlassen hat, dürfen nicht verloren gehen. Vielleicht sind sie das Einzige, was diese Welt eines Tages noch davor bewahren kann, den GROSSEN ALTEN anheim zu fallen. Als du starbst, da stand dein Nachfolger bereit, diese Kräfte aufzunehmen. Doch Howard verhinderte dies.«
»Mein Nachfolger? Ich habe keine Kinder.«
»Es ist nicht die Blutsverwandtschaft, die zählt«, sagte Shadow. »Der Plan des Schicksals wurde gestört. Würdest du jetzt sterben, dann vergingen deine Kräfte mit dir und unsere Feinde wären einen Schritt weiter auf ihrem Weg zum Sieg.«
»Also was kann ich tun?«, fragte ich leise.
»Ihr magisches Erbe muss weitergegeben werden«, sagte Crowley. »Aber das bedeutet Ihren Tod.«
»Weitergegeben an wen?«, fragte ich.
Crowley zögerte. Ich bemerkte, dass er einen blitzartigen, verstohlenen Blick mit Shadow wechselte, und die Stimme der El-o-hym klang ein winziges bisschen nervös, als sie antwortete.
»Vorerst an mich. Wir werden ein Kind finden, das deines Erbes würdig ist, doch bis es so weit ist, werde ich der Hüter dieser Macht sein. Würdest du sie einem anderen anvertrauen?«
Natürlich nicht. Wenn es überhaupt ein Wesen gab, das die furchtbaren Gewalten, die in meiner Seele schlummerten, zu beherrschen – oder wenigstens zu bändigen – imstande war, so war es Shadow. Und trotzdem: »Ihr habt … noch niemanden gefunden? Aber wir könnten doch wenigstens warten, bis …«
»Bis wann?«, unterbrach mich Shadow. Ihr Blick war voller Trauer. »Bis morgen? Zwei Tage? Eine Woche?« Sie schüttelte den Kopf. »Es hätte keinen Sinn, Robert. Jede Minute, die du existierst, macht es nur schlimmer. Und schwerer für mich, den Schaden wieder rückgängig zu machen. Du hattest mehr als irgendein anderer Mensch vor dir, Robert. Gib dich mit diesem zweiten Leben zufrieden.«
»Es war nicht sehr lang«, sagte ich leise. »Und nicht sehr angenehm.«
»Es gibt nichts, wovor du Angst haben müsstest«, sagte Shadow. »Der Tod ist nicht das Ende. Ich bin der lebende Beweis dafür.«
Ich sagte nichts mehr. Ich wusste, dass sie Recht hatte, mit jedem Wort, aber verdammt noch mal, ich wollte nicht sterben, ganz egal, aus welchem Grund.
Doch ich sprach nichts von alledem aus, sondern nickte nur und ging, begleitet von Shadow und Crowley, den Engel auf der rechten und den Teufel zur linken Seite, davon.
Es war unheimlich: Der Regen hörte wie abgeschnitten auf, als Cohen auf den Platz hinaustrat, nicht von einem Moment auf den anderen, sondern buchstäblich von einem Sekunden bruchteil auf den nächsten. Gerade noch hatte der Sturm ihm eine fast undurchdringliche Wasserwand entgegengeschleudert, mit solcher Wucht, dass er sich nach vorne hatte beugen müssen und jeder Schritt ihn fühlbare Anstrengung gekostet hatte; und plötzlich war der Widerstand fort und Cohen musste einen hastigen Schritt tun und wedelte mit den Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und der Länge nach in den flachen See zu fallen, in den sich der Ashton Place verwandelt zu haben schien.
Verblüfft blieb er stehen und wischte sich mit dem Handrücken das Wasser aus dem Gesicht. Gleichzeitig sah er sich um. Es war ein reiner Zufall, dass das erste, worauf sein Blick fiel, die Ruine von Andara-House war, die sich genau auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes befand. Und für einen Moment, einen winzigen Moment nur, glaubte er etwas zu sehen: ein Licht, etwas wie ein unheimliches flackerndes Leuchten von giftgrüner Farbe, das irgendwo hinter den geschwärzten Mauern zu pulsieren schien.
Cohen fuhr sich erneut mit der Hand über die Augen, blinzelte und als er die Lider wieder hob, war das Licht verschwunden. Wahrscheinlich war es ohnehin nicht wirklich dagewesen. Seine Nerven begannen ihm Streiche zu spielen. Nach allem, was er heute erlebt hatte, war es auch kein Wunder, wenn er anfing Gespenster zu sehen.
Die Erklärung erschien ihm durchaus einleuchtend – und trotzdem blieb ein sonderbares Gefühl der Beklemmung zurück, als er weiterging. Da war diese Stille. Es war nicht die Stille, die nach einem heftigen Regenguss normal war, sondern ein viel umfassenderes, ungutes Schweigen. Selbst das Platschen seiner Schritte in dem annähernd schuhsohlenhohen Wasser, das auf dem Boden stand, war kaum
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