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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vernehmbar.
    Andara-House erhob sich auf der anderen Seite wie die Ruine eines Märchenschlosses über einem verwunschenen See. Nirgendwo rührte sich etwas. Kein Mensch war zu sehen. Hinter keiner Scheibe erschien ein Gesicht, um in den Himmel zu blicken, kein Fenster wurde geöffnet, um die klare Luft nach dem reinigenden Unwetter einzulassen. Der große, von mehr als einem Dutzend prachtvoller Stadtvillen gesäumte Platz lag da wie ausgestorben.
    Cohen ging etwas schneller weiter und blieb vor der brandgeschwärzten Einfahrt noch einmal stehen. Selbst aus der Nähe machte das Haus einen unheimlichen Eindruck. Cohen fror. Der Regen hatte seine Kleider binnen Sekunden durchdrungen und er war nass bis auf die Haut. Aber das war nicht der einzige Grund für sein Frösteln. Schon zu Cravens Lebzeiten, als es noch unversehrt gewesen war, hatte dieses Haus etwas Unheimliches gehabt. Cohen war mehr als einmal hier gewesen, aber er hatte sich eines unangenehmen Gefühles nie erwehren können; und das gleiche Gefühl spürte er auch jetzt wieder. Das Feuer hatte dem Haus nichts von seinem unheimlichen Flair genommen. Ganz im Gegenteil.
    Cohen trat über einen verkohlten Balken hinweg, der die Zufahrt blockierte, und näherte sich der Treppe, über der einst die Ehrfurcht gebietende, zweiflügelige Tür gewesen war; ein Portal, das einem Schloss zur Ehre gereicht hätte und jedem Besucher, der davor stand, das Gefühl gab, klein und winzig zu sein. Jetzt erblickte er nur ein geschwärztes Loch. Und plötzlich hatte er Angst, durch diese Tür zu treten; eine Angst, die an Panik grenzte und für einen Moment so stark wurde, dass er einfach nicht mehr weitergehen konnte. Etwas Grässliches würde geschehen, wenn er dieses Haus betrat.
    »Unsinn!«, sagte Cohen. Er sagte es sehr laut, um sich selbst zu beruhigen, aber das Wort bewirkte eher das Gegenteil: Statt etwas Vertrautes in die albtraumhafte Szenerie zu bringen, schien der Klang einer menschlichen Stimme den fremdartigen Odem seiner Umgebung eher noch zu betonen.
    Trotzdem ging er nach einem Augenblick weiter. Nicht einmal, weil er seine Angst wirklich überwunden hätte, sondern einzig aus dem Grund, dass er wusste, er würde nie wieder mit seiner eigenen Furcht fertig werden, wenn er den Kampf jetzt aufgab. Während er die geborstenen Stufen hinaufging, bewegte sich seine Hand unter die Jacke und zog den Revolver hervor, den ihm der Polizeibeamte gegeben hatte. Er bemerkte es nicht einmal. Sein Herz begann wie rasend zu klopfen, als er die letzte Stufe hinaufschritt und das betrat, was einmal eines der prachtvollsten und größten Häuser der Stadt gewesen war.
    Jetzt war es eine Ruine. Ihr Inneres bot einen noch viel chaotischeren Anblick als das Äußere und das ungute Gefühl, das Cohen die ganze Zeit über begleitet hatte, wurde zur Gewissheit, kaum dass sich seine Augen an das graue Zwielicht hier drinnen gewöhnt hatten und er mehr als vage Schatten erkennen konnte.
    Nur ein paar Schritte hinter der Tür lagen zwei Leichen.
    Die Männer (Cohen war nicht ganz sicher, dass es wirklich Männer gewesen waren, aber er unterstellte es einfach) lagen in so unnatürlichen und unmöglichen Haltungen da, als wären sämtliche Knochen in ihrem Körper zerbrochen, und was immer man ihnen angetan hatte (oder gar, wer dies getan hatte), darüber weigerte sich Cohens Verstand einfach nachzudenken. Er hatte in seiner Karriere als Inspektor bei Scotland Yard eine Menge gesehen; Dinge, die anderen weiße Haare und lebenslange Albträume bereitet hätten, und bis zu diesem Augenblick hatte er gedacht, dass es nichts mehr gäbe, was ihn noch aus der Fassung bringen konnte. Aber das stimmte nicht. Cohen sah nur eine Sekunde hin, ehe er sich mit einem Ruck abwandte und die Hand vor den Mund schlug, um den Brechreiz zu unterdrücken, der plötzlich in seiner Kehle aufstieg, aber er wusste, dass er den Anblick nie wieder wirklich vergessen würde.
    Langsam, den Blick von den beiden geschändeten Leichen abgewandt, ging er durch die Halle und begann das Untergeschoss des Hauses Zimmer für Zimmer zu durchsuchen. Er ging sehr behutsam zu Werke und blieb manchmal sekundenlang stehen, um zu lauschen, ehe er durch eine Tür trat, und er hatte den Revolver schussbereit erhoben.
    Aber seine Vorsicht erwies sich als unbegründet. Wer immer die beiden armen Teufel in der Halle umgebracht hatte, war nicht mehr da. Schließlich kehrte er in die Halle zurück. Er vermied es auch jetzt wieder, die

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