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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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oder bloße Resignation, Robert. Es ist wichtig, dass du dich hingeben willst. Nur so ist es mir möglich, dein Erbe an einen anderen weiterzugeben.«
    »Ich will es«, sagte ich. Und ich wollte es wirklich. Ich vertraute ihr, mehr als jedem anderen Wesen auf dieser Welt – und wieso auch nicht, schließlich war sie ein leibhaftiger Engel! »Tu es«, sagte ich leise. »Jetzt.«
    Shadow tauschte einen Blick mit Crowley, der auf der anderen Seite des Opfersteines Aufstellung genommen hatte. Ich sah ihn nicht an, aber ich hörte die Seide seines Gewandes rascheln und registrierte das Blitzen von Metall aus den Augenwinkeln. Zugleich hörte ich einen anderen Laut: ein ganz leises Plätschern, als bewege sich etwas im Wasser des Beckens hinter mir.
    Shadow nickte ganz unmerklich in Crowleys Richtung und ich hob rasch die Hand und sagte: »Nein!«
    Crowley erstarrte. Shadow sah mich alarmiert an und ich fuhr mit dem verunglückten Versuch eines Lächelns fort: »Bitte tu du es.«
    Sie erschrak. »Nein«, sagte sie, »das kann ich nicht.«
    Ich wiederholte meine Bitte nicht noch einmal laut, aber mein Blick ließ sie auch nicht los, und für Sekunden, in denen sie reglos dastand, spiegelte sich ein wahrer Sturm von Gefühlen in ihren Augen.
    »Du weißt nicht, was du da verlangst, Robert«, sagte sie. »Es ist mir verboten, Leben zu vernichten.«
    Ich sagte noch immer nichts, sondern sah sie weiter unverwandt an und schließlich senkte sie mit einem tiefen Seufzen den Blick und streckte die Hand in Crowleys Richtung aus.
    »Aber …«, begann Crowley.
    Shadow hob mit einem Ruck den Kopf und sah ihn an; und so unendlich der Schmerz in ihren Augen gewesen war, als sie auf mich herabblickte, so zwingend war plötzlich die Macht ihrer Augen. Crowley zögerte nur noch eine Sekunde, dann händigte er ihr das Messer aus. Es war ein sehr langer, schmaler Dolch, dessen Klinge zweiseitig und rasiermesserscharf geschliffen war. Es würde schnell gehen, dachte ich. Wahrscheinlich würde ich nicht einmal einen Schmerz spüren.
    Shadow ergriff das Messer mit beiden Händen. Ich lächelte ihr zum Abschied zu, ließ mich zurücksinken und schloss die Augen, während Shadow den Dolch hoch über den Kopf erhob und einen Schritt auf mich zutrat.
     
    Der Anblick war so grotesk und zugleich so entsetzlich, dass Cohen um ein Haar aufgeschrien hätte. Er unterdrückte es im letzten Moment – und mehr noch: Seine Instinkte zwangen ihn, das einzig Richtige zu tun und sich blitzschnell hinter einen Felsbrocken zu ducken, aber das bizarre Bild, das sich ihm bot, schlug ihn trotzdem so in seinen Bann, dass er länger als eine Minute zu nichts anderem fähig war, als über den Rand seiner Deckung hinweg in die gewaltige Höhle zu starren, in die der unterirdische Gang ihn geführt hatte.
    Er hatte es mehr seinem Glück als irgendeinem anderen Umstand zu verdanken gehabt, dass er halbwegs unbeschadet in den Keller hinuntergekommen war, denn der morsche Türrahmen, an dem er sich festgehalten hatte, hatte genau in dem Moment unter seinem Gewicht nachgegeben, in dem es kein Zurück mehr gab, und so war er um etliches schneller (und unsanfter) ins Untergeschoss des Hauses hinabgestiegen, als er eigentlich beabsichtigt hatte.
    Glücklicherweise hatte er sich nichts gebrochen, ja, sich nicht einmal wirklich wehgetan, sondern war nur einige Augenblicke lang benommen liegen geblieben, ehe er sich wieder hochgerappelt und eine Weile im Dunkeln herumgetastet hatte, um den Revolver zu suchen, der ihm bei seinem Sturz aus dem Gürtel gerutscht war. Einige weitere Augenblicke hatte er mit der Frage zugebracht, wie um alles in der Welt er jemals wieder aus diesem Keller herauskommen sollte, ihre Beantwortung aber auf später verschoben – er hatte das Gefühl, dass sie ihm nicht gefallen würde.
    Der Gesang war deutlicher geworden, als er sich schließlich aufrichtete und versuchte in der fast vollkommenen Dunkelheit hier unten etwas zu erkennen, und für eine ganze Weile war er blind durch die Schwärze gestolpert – mit kleinen, schleifenden Schritten, die linke Hand tastend ausgestreckt und auf nichts anderes als den unheimlichen Singsang als Wegweiser angewiesen. Und schließlich hatte er das Licht gesehen.
    Es war ein flackernder, rötlicher Schein, der von einem Punkt sehr weit vor ihm gekommen war, und er war im gleichen Maße deutlicher geworden, wie der Gesang an Lautstärke zunahm. Cohen war beidem gefolgt und er war nicht einmal sehr überrascht

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