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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht den einzigen Zweck, Ihnen zu schaden. Und die GROSSEN ALTEN tun niemals etwas Sinnloses.«
    »Aber sie tun oft Dinge, deren Sinn wir nicht erkennen«, antwortete ich gereizt, fuhr herum und wandte mich in kaum weniger gereiztem, zumindest aber sehr vorwurfsvollem Ton an Shadow: »Warum hast du es mir nicht gesagt?«
    Sie hob den Kopf und blickte mich aus Augen an, die dunkel vor Trauer und Mitgefühl waren. »Um dir nicht wehzutun, Robert«, sagte sie. »Welchen Sinn hätte es gehabt?«
    Darauf antwortete ich nicht, denn ich spürte genau, wie sehr sie mein Vorwurf traf. Stattdessen drehte ich mich herum und umrundete mit raschen Schritten das Wasserbecken, um zu dem Altar auf der anderen Seite zu gelangen. Wieder glaubte ich einen Schatten unter der Oberfläche davonhuschen zu sehen und für einen winzigen Moment stieg mir ein leicht fauliger Geruch in die Nase, den das kristallklare Wasser auszuströmen schien. Aber ich war viel zu aufgeregt, um dieser Beobachtung irgendeine Bedeutung zuzumessen. Meine Gefühle befanden sich in hellem Aufruhr. Trotz allem war da in mir noch etwas, das sich verzweifelt an das Leben klammerte und immer heftiger gegen das protestierte, wozu ich entschlossen war. Aber ich gab dieser lautlosen Stimme keine Gelegenheit, Einfluss auf meine Gedanken und Entscheidungen zu nehmen. Plötzlich hatte ich es beinahe eilig. Ein gutes Stück vor Shadow, Crowley und seinem halben Dutzend Begleiter, die uns mit gemessenen Schritten folgten, erreichte ich den Marmorblock und blieb stehen.
    »Was muss ich tun?«, fragte ich.
    Crowley bedeutete mir mit einer Geste, auf den Stein zu klettern, und ich gehorchte und streckte mich lang darauf aus. Der Marmor war so kalt, dass ich es selbst durch meine Kleider hindurch spüren konnte, und ich versuchte das eisige Frösteln, das mich ergriff, auf diesen Umstand zu schieben. Natürlich gelang es mir nicht völlig.
    Während Shadow, Crowley und die anderen näher kamen, drehte ich den Kopf und sah ihnen entgegen. Mein Blick fiel auf die verzerrten Schatten, die das flackernde Licht der Fackeln an die Wände warf, und für eine Sekunde hatte ich einen unheimlichen Eindruck: Die Schatten, die ich sah, schienen nicht zu den Gestalten, die sich mir näherten, zu passen. Aber auch dieser Eindruck verschwand so schnell, wie er gekommen war, und ich wusste natürlich auch, dass er nur meiner eigenen Einbildung entsprang.
    Fünf Schritte vor dem Altarblock blieben Crowleys Begleiter – bis auf einen, der sich auf einen wortlosen Blick seines Herrn hin an dessen Seite gesellte – stehen und bildeten mit ihren Fackeln und Widderstäben einen Halbkreis, in dessen gedachtem Schnittpunkt sich der Altar befand, während Crowley, Shadow und der dritte Mann langsam weitergingen. Crowleys Augen hinter den schmalen Sehschlitzen seiner Maske blieben so kalt wie bisher und auch auf dem Gesicht des Rotgekleideten zeigte sich nur dieselbe schreckliche Leere. Für eine Sekunde glaubte ich noch einmal Crowleys Worte zu hören, der gesagt hatte, dass wir vermutlich Feinde geworden wären, hätten wir uns unter anderen Umständen und an einem anderen Ort getroffen. Ich wusste noch immer nicht, wer oder was diese Männer waren, aber tief in mir spürte ich, dass er Recht hatte.
    Shadow trat dicht an den Altarstein heran, und ich löste meinen Blick von Crowley und seinem Begleiter, um zu ihr hinaufzusehen. Ihr Gesicht war so schön und edel wie eh und je und in ihren Augen mischten sich Trauer und Mitleid mit einer Zuversicht, die ich trotz aller Anstrengung nicht ganz zu teilen vermochte. Sie hatte gesagt, dass der Tod nicht das Ende war, und schließlich war sie der existierende Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung. Aber da war noch immer jene dünne, verzweifelt schreiende Stimme in mir, der alle Logik und alle Gründe gleich waren und die einfach nur leben wollte und Angst hatte. Ich war schon einmal tot gewesen, nicht beinahe gestorben, nicht scheintot, sondern wirklich und wahrhaftig tot und für lange Zeit, und wenn das, was Shadow sagte, der Wahrheit entsprach, wieso konnte ich mich dann nicht an das erinnern, was jenseits jener ultimaten Grenze wartete?
    »Bist du bereit?«, fragte Shadow. Sie sah mich nicht an, bei diesen Worten. Sie blickte mir ins Gesicht, aber nicht in die Augen, und ich spürte, wie schwer es ihr fiel, zu reden.
    »Ja«, sagte ich.
    »Du musst es wirklich wollen«, fuhr sie fort. »Es darf nicht die Furcht um das Leben deiner Freunde sein

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