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Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I

Titel: Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewesen, als das Licht intensiv genug wurde, ihn seine Umgebung erkennen zu lassen, und er begriff, dass er sich nicht mehr im Keller der niedergebrannten Villa aufhielt, sondern in einem gemauerten, halbrunden Gang, der offenbar zum Kanalisationsnetz der Stadt gehörte (das verriet ihm der Gestank, der in der Luft lag) und auf irgendeine Weise mit den Kellern von Andara-House verbunden war. So war er schließlich hierher gelangt, um die größte (und vielleicht schlimmste) Überraschung seines Lebens zu erfahren.
    Der Stollen endete in halber Höhe eines gewaltigen, kuppelförmigen Raumes, der nur teilweise gemauert, zum anderen ein Teil eines natürlichen Hohlraumes im gewachsenen Fels zu sein schien. Ein schmaler Sims mit einem nicht sehr Vertrauen erweckend aussehenden Gitter führte in halber Höhe um den Raum herum und auf der anderen Seite erkannte Cohen eine steile Treppe aus rostigem Metall, die nach unten führte. In den Wänden gab es eine Anzahl unregelmäßig geformter, metallgefasster Öffnungen, die zum Teil ebenfalls vergittert waren, und in der Mitte des Bodens gähnte ein gewaltiger, runder Schacht. Cohen vermochte nicht zu sagen, wozu dieser Raum einmal gedient hatte. Er dachte auch nicht eine Sekunde über diese Frage nach.
    Jetzt war er zu einer Art barbarischem Tempel geworden.
    Cohen fiel keine passendere Bezeichnung für das unglaubliche Bild ein, das sich ihm bot. Fünf Meter unter ihm stand ein knappes Dutzend zerlumpter Gestalten, die einen Halbkreis um einen gewaltigen, schwarzen Block bildeten, der sich wie ein barbarischer Altar am Rande des Schachtes erhob. Cohen kannte keinen dieser Männer, aber er hatte Männer wie sie schon oft genug getroffen, um sofort zu wissen, womit er es zu tun hatte – sie waren in Lumpen gekleidet, ihre Gesichter waren schmal und ausgezehrt und wäre er näher bei ihnen gewesen, hätte er die Spuren von Mangel und Krankheit in ihren Zügen lesen können; und die Härte und Bosheit, die ein Leben am äußersten Rande der Gesellschaft hineingegraben hatte. Es war der Abschaum der Stadt, der Bodensatz, den nicht einmal die normalen Kriminellen noch achteten; Menschen, die in den Kanalisationen und den U-Bahn-Schächten lebten und selbst zu einer Art Geschöpfe der Nacht geworden waren, unsichtbar und unerkannt. Die meisten Menschen in dieser Stadt wussten nicht einmal, dass es sie gab. Cohen war plötzlich sehr froh, so vorsichtig gewesen zu sein, denn er wusste, wie wenig ein Menschenleben Männern wie diesen galt.
    Und vielleicht war das nicht einmal das Schlimmste.
    Vor dem Altar, auf den die Fackeln, die das halbe Dutzend Gestalten in den Händen hielten, unheimliche rote Lichtreflexe warfen, standen vier weitere Gestalten und sie waren möglicherweise noch unheimlicher als diese. Cohen konnte ihre Gesichter nicht erkennen, denn sie drehten ihm allesamt den Rücken zu, aber er sah zumindest, dass es sich bei einer um eine Frau handelte, ein verhutzeltes, gebeugtes altes Weib in einem Kleid aus grauen Fetzen, das einen verkrüppelten linken Arm hatte, und dass sie ein Kind an der Hand hielt. Der Junge mochte fünf oder sechs Jahre alt sein, kaum älter, und mit Ausnahme der beiden Männer, die auf der anderen Seite des Altars standen, trug es als Einziger hier saubere Kleidung.
    Cohen überwand endlich seine Erstarrung, warf einen sichernden Blick in den Gang hinter sich und begann sich dann auf Händen und Knien auf den Sims hinauszuschieben, um besser sehen zu können. Er war sich des Risikos bewusst, das er einging, aber welche Wahl hatte er schon? Außerdem schien die unheimliche Versammlung dort unten so sehr mit ihrem eigenen Tun beschäftigt zu sein, dass sie von nichts Notiz nahm, was um sie herum vorging. Die Männer mit den Fackeln wiegten die Oberkörper im Takt des Gesanges und jetzt erhaschte Cohen auch einen Blick in eines der Gesichter. Es war so ausgezehrt und brutal, wie er erwartet hatte – aber was er nicht erwartet hatte, das war der leere, ja, fast leblose Ausdruck darauf.
    Was um alles in der Welt ging hier vor?
    Er bewegte sich noch ein winziges Stück weiter, verharrte einen Moment, um seine Waffe zu ziehen und so leise wie nur irgend möglich den Hahn zu spannen, und kroch schließlich bis zum Rand des Simses. Wenn auch nur einer dieser Burschen da unten den Kopf hob, musste er ihn unweigerlich sehen, aber diese Gefahr nahm er in Kauf. Cohen blinzelte vorsichtig über den Rand des Simses – und erstarrte.
    Er war jetzt weit genug,

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