Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II
diese zerstörte Stadt an, die Welt, die Sie in Schutt und Asche gelegt haben. Schauen Sie auf all das Leid und das Unglück, das Sie über die Menschen gebracht haben. Gehen Sie hinaus in die Welt und sehen sich jeden einzelnen Toten an, jedes zerstörte Leben, jede zerstörte Stadt und jeden verbrannten Fußbreit Boden. Sehen Sie sich alles an, was mit Ihrer Hilfe geschehen ist, und Sie wissen, wie Ihr Vater nicht war.«
Joshua starrte ihn schweigend an. Er wurde nicht zornig, wie Howard erwartet hatte, und er wischte seine Worte auch nicht mit einer Handbewegung beiseite. Der Gedanke kam Howard fast selbst absurd vor, und doch spürte er, dass seine Worte den jungen Mann getroffen und tief verletzt hatten.
»Und das alles glauben Sie wirklich von mir«, sagte er schließlich.
»Nein«, korrigierte ihn Howard kalt. »Ich weiß es.«
Joshua seufzte. Er schloss die Augen, stand fast eine Minute lang so da und schien in dieser Zeit nicht einmal zu atmen. »Sie haben Recht«, sagte er plötzlich.
Howard tauschte einen verblüfften Blick mit George, gewahrte aber auch in dessen Zügen nichts als Überraschung und Misstrauen.
»Ich verlange nicht, dass Sie mir glauben«, fuhr Joshua fort. »Doch ich weiß, wovon Sie reden. Ich habe diesen Krieg nicht gewollt.«
»Warum führen Sie ihn dann?«, fragte Howard.
»Weil ich es muss«, antwortete Joshua. »Ich weiß, Sie halten mich für den Heerführer der GROSSEN ALTEN und in gewissem Sinne bin ich es vielleicht sogar. Zugleich aber bin ich nur ein Werkzeug. Mein eigener Wille zählt nichts. Ich habe gesehen, was draußen in der Welt vorgeht, und ich habe es nicht genossen, wenn es das ist, was sie glauben. Im Gegenteil. Es gibt keine Nacht, in der mich nicht Albträume plagen, keine Sekunde, in der ich nicht die Blicke all der Toten auf mich gerichtet fühle, kein Atemzug, in dem ich nicht den Schmerz spüre, den ich über die Welt gebracht habe.«
Howards Verwirrung wuchs ins Unermessliche. Joshuas Worte klangen nicht nur echt – er spürte, dass sie es waren. Noch vor einer Sekunde hätte er nicht geglaubt, dass dieser Mann, der so unendlich viel Leid über die Menschheit gebracht hatte, der für den Tod so unvorstellbar vieler Menschen verantwortlich war, überhaupt zu irgendeinem Gefühl fähig war. Und trotzdem spürte er plötzlich, dass jedes Wort, das Joshua gesagt hatte, der Wahrheit entsprach. Aber änderte das etwas?
»Wie oft habe ich mir gewünscht, es ungeschehen zu machen«, fuhr Joshua fort. »Wie sehr habe ich darum gebetet, eine zweite Chance zu bekommen, auch wenn es mein eigenes Leben kosten würde. Aber was geschehen ist, kann nicht rückgängig gemacht werden.«
Während er sprach, hatte sich Rowlf, rückwärts gehend und sehr langsam einige Schritte von der Maschine entfernt. Howard hatte die Bewegung aus den Augenwinkeln heraus verfolgt, hütete sich aber, auch nur den Kopf zu wenden, um nicht Joshuas oder gar die Aufmerksamkeit der vier Dämonen auf seinen Freund zu lenken. Er ahnte, was Rowlf vorhatte. Der rothaarige Riese näherte sich langsam dem Leichnam eines Soldaten. Wenn er Erfolg hätte, dachte Howard, dann würden sie alle dies mit dem Leben bezahlen müssen, aber vielleicht war das ein geringer Preis.
»Ihr Leiden rührt mich wirklich zu Tränen«, sagte er sarkastisch und in bewusst verletzendem Ton, um Joshuas Aufmerksamkeit ganz auf sich zu ziehen. »Wirklich, ich bin sicher, dass auch Ihr Vater tiefes Mitleid mit Ihnen empfunden hätte. Es ist auch ziemlich ungerecht, mit Albträumen bestraft zu werden, wenn man ein paar hundert Millionen Menschen auf dem Gewissen hat.«
Joshua senkte traurig den Blick. Er sagte nichts, doch Howard spürte abermals, wie sehr ihn diese Worte verletzten. Konnte es sein, dass Joshuas Bedauern wirklich ernst gemeint war?
Rowlf hatte den toten Soldaten fast erreicht. Er blieb noch einmal stehen, um nicht im allerletzten Moment doch noch entdeckt und aufgehalten zu werden, denn eines der vier TIEFEN WESEN, die bei ihnen zurückgeblieben waren, stand nur einen guten Schritt von ihm entfernt. Aber plötzlich fuhr er herum, warf sich mit weit ausgestreckten Armen zu Boden und ergriff noch im Sturz die Waffe des Toten.
Das TIEFE WESEN reagierte mit übermenschlicher Schnelligkeit. Rasend schnell fuhr es herum und auf Rowlf zu. Es hätte ihn zweifellos erwischt, hätte es sich einfach auf ihn gestürzt und ihn mit seinen unmenschlichen Kräften gepackt. Doch es beging den Fehler, sein Schwert
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