Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
Manager.
Ich spürte, wie sich etwas zwischen meinen Beinen hindurchmogeln wollte, schob den Kater hastig mit dem Fuß zurück und sagte: »Wie gesagt, sie gehört mir nicht. Was ist denn damit?«
»Erzählen Sie mir lieber, wo meine Prinzessin ist«, keifte die fette Frau.
»Ihre Prinzessin?«
»Der Hund«, erklärte der Manager, und ich konnte mir einfach nicht verkneifen, hinzuzufügen:
»Sie meinen das Haustier, das in diesem Hotel nicht erlaubt ist?«
»Meine Prinzessin ist verschwunden, seit … seit Ihr haariges Ungeheuer so heimtückisch über sie hergefallen ist!«, keifte die Dicke.
Ich verbarg die Hand mit dem Pudelohr hastig hinter dem Rücken. »Madam, ich versichere Ihnen, dass ich keine Ahnung habe, wo sich Ihre … äh … Prinzessin befindet«, sagte ich. Das entsprach sogar der Wahrheit. Ich hatte zwar das Ohr des Pudels in der Hand, aber ich hatte nicht die blasseste Ahnung, wo der Rest sein mochte.
»Das glaube ich Ihnen nicht«, keifte die Dicke. Sie trat einen Schritt vor, wobei sie den bedauernswerten Hotelmanager beinahe zwischen der Tür und ihrem enormen Busen zerquetschte, und versuchte an mir vorbei einen Blick in mein Zimmer zu werfen. Ich tat mein Möglichstes, ihr dieses Vorhaben zu erschweren, was aber gar nicht so einfach war.
Immerhin hatte ich nur eine Hand und einen Fuß frei, um die Tür zuzuhalten. Der Rest meiner Extremitäten war damit beschäftigt, das Hundeohr hinter meinem Rücken zu verbergen beziehungsweise den Kater zurückzuhalten, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, ausgerechnet jetzt das Zimmer zu verlassen.
»Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen, Madam«, sagte ich. »Sollte ich Ihre Prinzessin irgendwo sehen, gebe ich sofort Mister MacIntosh Bescheid.«
Und damit schloss ich die Tür und drehte mit einer demonstrativen Bewegung den Schlüssel herum. Der Kater maunzte enttäuscht. Ich nahm an, dass er sich nach dem Pudel auch gerne auf dessen Herrin gestürzt hätte, aber dieses Vergnügen konnte ich ihm leider nicht gönnen – so sehr ich seinen Wunsch auch nachempfinden konnte.
»Tut mir Leid, mein Freund«, sagte ich. »Aber es ist besser, wenn du dich im Moment dort draußen nicht blicken lässt.« Ich hob das abgerissene Ohr vor die Augen. »Obwohl ich zu gerne wüsste, wo der Rest dieses Hundes ist.«
Der Kater maunzte erneut, drehte sich herum und ging auf den Wandschrank zu. Unterwegs blieb er zwei, drei Mal stehen, sah zu mir zurück und maunzte auffordernd. Auch das war ein Verhalten, das man wohl eher bei einem Hund erwartet hätte – aber es war auch so eindeutig, dass ich der Aufforderung ganz automatisch nachkam und dem Tier folgte.
Ich war nicht einmal überrascht, als ich die Tür des Wandschrankes öffnete und sah, was sich dahinter verbarg …
Es war das zweite Mal, dass der Wandschrank kein Wandschrank mehr war. Beim ersten Mal hatte er sich in einen Schacht verwandelt, in den ich um ein Haar hinuntergestürzt wäre.
Jetzt war die Veränderung beinahe noch bizarrer; und obwohl ich mich im Gegensatz zu meinem Erlebnis in der vergangenen Nacht diesmal nicht in unmittelbarer Gefahr zu befinden schien, machte sie mir beinahe noch mehr Angst. Denn zum einen erblickte ich etwas ganz und gar Unmögliches. Einen Raum nämlich, der innen größer war als außen. Und der auch ganz bestimmt nicht ins Londoner Hilton gehörte.
Vor mir lag eine schmale, sich in engen, halsbrecherisch steilen Kehren in die Tiefe windende Treppe. Die Stufen bestanden aus geborstenem grauen Stein und waren so ausgetreten, als wären sie von Millionen und Abermillionen Füßen über ebenso viele Jahre hinweg glattgeschliffen worden. Ein muffiger, feuchter Hauch drang aus der Tiefe zu mir herauf und ich hatte das unbestimmte Gefühl von Entfernung und Weite.
Und das ganz und gar nicht unbestimmte Gefühl von Gefahr …
Der Kater sprang leichtfüßig vier, fünf Stufen vor mir her in die Tiefe und maunzte mich auffordernd an. Ich dachte allerdings nicht daran, ihm zu folgen.
»Tut mir Leid«, sagte ich kopfschüttelnd. »Ich betrete keine Treppen, die plötzlich in meinem Wandschrank auftauchen. Schon aus Prinzip nicht, weißt du?«
Der Kater legte den Kopf auf die Seite und maunzte ganz leise, aber ich blieb hart. »Und ich diskutiere auch nicht mit wildfremden Katzen, die plötzlich in meinem Hotelzimmer auftauchen, mein Freund«, fuhr ich fort. »Das habe ich noch nie getan und ich werde damit auch jetzt ganz bestimmt nicht anfangen.«
Ich
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