Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London
blindlings, ohne zu wissen, wohin. Es gab keinen sichtbaren Ausgang aus dieser bizarren Halle, aber jeder Fußbreit, den wir uns von dem zuckenden Relief entfernten, zählte. Etwas Furchtbares würde geschehen, das spürte ich. Etwas Unvorstellbares.
Gerade als ich dachte, Rowlf wolle meinem Beispiel von vorhin folgen und einfach gegen die Wand rennen, tauchte wie aus dem Nichts nur ein kleines Stück neben und vor uns ein Ausgang auf. Ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu zögern, änderte ich meine Richtung und stürmte hinein, doch kurz, bevor ich in den Tunnel dahinter eintauchte, warf ich noch einmal einen Blick über die Schulter zurück.
Ich tat es gerade noch rechtzeitig um zu sehen, wie das Relief explodierte.
Es gab keinen Blitz, keine Flammen, keine wirkliche Explosion. Vielmehr schien es von einer unfassbaren, unsichtbaren Kraft einfach von innen heraus zerrissen zu werden. In einer Sekunde war es noch ein massiver, riesiger schwarzer Block gewesen, in der nächsten barst es zu Tausenden und Abertausenden von Bruchstücken auseinander, die wie steinerner Regen in der Halle niederprasselten.
Dann hatte ich den Tunnel erreicht und die Höhle verschwand einfach. Wo sie gerade noch gewesen war, schien sich nun nur ein weiterer, endloser Gang zu erstrecken. Auch die Schreie und der Lärm verstummten von einem Sekundenbruchteil auf den anderen.
Trotzdem blieb ich nicht stehen, sondern rannte noch ein gutes Stück weiter und verfiel erst in eine langsamere Gangart, als ich einfach nicht mehr konnte. Aber ich blieb nicht gänzlich stehen. Ich konnte es nicht.
Das Labyrinth war nicht mehr so groß wie zuvor. Schon nach knapp fünf Minuten erblickte ich vor mir die Treppe, die hinauf in die beruhigend normale Welt hinter der Schranktür führen würde; eine Welt, in der die größten Schrecknisse aus wild gewordenen Hotelmanagern und geldgierigen Bauunternehmern bestanden, aber ich ging immer noch nicht langsamer, sondern stürmte die Stufen so schnell hinauf, dass Rowlf alle Mühe hatte, mir zu folgen. Es war vorbei, zumindest für jetzt, aber ich hatte das fast an Wissen grenzende sichere Gefühl, dass uns allerhöchstem eine Atempause gegönnt wurde, nicht mehr.
Stufe um Stufe fegte ich nach oben und ohne es auch nur zu merken, wurde ich dabei immer schneller. Ich wagte es nicht, mich herumzudrehen. Zum ersten Mal im Leben hatte ich Angst vor dem, was hinter mir lag, sowohl im übertragenen als auch im wortwörtlichen Sinne.
Aber noch während ich mich der Tür am oberen Ende der Treppe näherte, begann ich mich zu fragen, ob ich vielleicht besser daran tat, Angst vor dem zu haben, was vor mir lag.
Und damit sollte ich Recht behalten.
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