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Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London

Titel: Hexer-Edition 23: Das Labyrinth von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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jetzt weiter entfernt und leiser als vorhin – aber das Geräusch war trotzdem noch laut genug, um es eindeutig als das zu identifizieren, was es war, nämlich die verzweifelten Schreie eines Kindes. Ich konnte die Worte nicht verstehen, aber es waren Hilferufe, daran bestand gar kein Zweifel. Ich rannte los.
    Vor mir gabelte sich der Stollen wieder. Ich rannte jetzt so schnell, dass ich den Kater bald überholte und das Tier hinter mir zurückblieb, doch diesmal bestand nicht die Gefahr, dass ich mich verirrte – die Schreie wurden lauter und ich konnte die Richtung, aus der sie kamen, deutlich genug bestimmen, um die richtige Abzweigung zu nehmen.
    Das Geräusch wurde immer deutlicher, der Ton darin drängender, verzweifelter und schließlich erkannte ich vor mir das Ende des Ganges, der offenbar in einen größeren, von mattgrauer Helligkeit erfüllten Raum mündete. Ich mobilisierte noch einmal alle Kräfte, um die letzten Schritte so schnell zurückzulegen, wie ich nur konnte.
    Um ein Haar wären es tatsächlich meine letzten Schritte gewesen.
    Drei Dinge geschahen gleichzeitig:
    Ich stürmte durch den Ausgang des Stollens.
    Die Schreie brachen urplötzlich ab.
    Und der Boden vor mir auch.
    Mit einer entsetzten Bewegung versuchte ich mich mitten im Lauf zurückzuwerfen, was zu einer geradezu grotesken Situation führte: Meine Beine rannten noch weiter, als hätte der Befehl anzuhalten die entsprechenden Muskeln noch nicht erreicht, während ich den Oberkörper mit aller Kraft zurückwarf und dabei wild mit den Armen ruderte, um meinen eigenen Schwung irgendwie aufzuzehren.
    Alles ging viel zu schnell, als dass ich wirklich erkennen konnte, was vor mir lag, aber ich hatte einen flüchtigen Eindruck von ungeheurer Weite – und vor allem Tiefe! – die sich vor mir ausbreitete, spürte, wie unter meinen Füßen plötzlich nichts mehr war, und stürzte nach hinten, wobei ich aber gleichzeitig vom Schwung meiner eigenen Bewegung immer noch weitergerissen wurde.
    Die Lampe flog im hohen Bogen davon und verschwand in der Tiefe. Mit grausamer Wucht schlug ich auf dem Boden auf, schlitterte hilflos weiter und griff verzweifelt mit beiden Händen nach irgendetwas, woran ich mich festhalten konnte. Aber der Boden war so glatt wie Glas. Unter meinen Beinen war nichts mehr, dann unter meinem Gesäß, schließlich dem Rücken – ich begann zu stürzen, drehte mich dabei irgendwie um meine eigene Achse und schrammte unsanft mit dem Gesicht über den Steinboden.
    Und dann fand ich Halt.
    Der Ruck schien mir beide Hände aus den Gelenken reißen zu wollen. Ein entsetzlicher Schmerz explodierte in meinen Armen und einen Sekundenbruchteil später in meinen Schultern, aber ich klammerte mich trotzdem mit jedem bisschen Kraft, das ich noch in meinem Körper fand, fest; und ich hatte ausnahmsweise sogar Glück – meine wild strampelnden Beine trafen auf Widerstand.
    Mit aller Gewalt stemmte ich mich hinein, ignorierte die neuerliche Pein, als die meisten meiner Fingernägel abbrachen, und presste mich mit verzweifelter Kraft gegen die Wand.
    Der Sturz endete. Irgendwie hatte ich das Kunststück fertig gebracht, mich mit beiden Händen an der Kante und mit dem gesamten Körper an der senkrechten Wand festzuklammern, die hinter dem Gangende gelauert hatte. Für endlose Sekunden hing ich so wie eine zu groß geratene Fliege und vollkommen verkrampft da, bis ich es auch nur wagte, die Augen zu öffnen und einen Blick in die Tiefe zu werfen.
    Vor mir breitete sich eine Höhle von geradezu unvorstellbarer Größe aus. Die Decke und die gegenüberliegende Wand verschwanden in grauer Entfernung. Sie schienen Meilen entfernt zu sein und ich konnte die unvorstellbare Weite dieses Raumes beinahe körperlich fühlen. Und trotzdem war es nicht das, was mich einen halb erstickten, ungläubigen Schrei ausstoßen ließ.
    Es war das, was sich auf dem Boden dieser unterirdischen Welt befand.
    Das Labyrinth.
    Unter mir, Meilen entfernt, wie es schien, breitete sich das schwarze Labyrinth aus, das ich schon in jener schrecklichen Vision zu sehen geglaubt hatte, als ich vor meiner Tür stand und die unheimlichen Laute hörte. Jetzt sah ich es wirklich und es war hundert Mal größer und tausend Mal bizarrer, als ich geglaubt hatte.
    Es war nicht einfach nur ein Labyrinth. Es war ein Bild. Die Schluchten und Gänge, manche davon so breit wie eine Straße, bildeten ein Muster, das nicht klar zu erkennen, aber da war, das etwas bedeutete. Was sich

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