Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
Mal die komplette und ungekürzte Maxim-Kammerer-Trilogie aus »Die bewohnte Insel«, »Ein Käfer im Ameisenhaufen« und »Die Wellen ersticken den Wind« nebst knapp fünfzigseitigem Anhang zur Geschichte und Erläuterung der Trilogie. Eine hervorragende Einstiegsdroge für jeden, der die Strugatzkis vorher nicht kannte.
Der zweite Band enthält die Romane, die sich um großangelegte Menschenversuche drehen, und wie die Menschen damit umgehen; da man die ganze Sowjetunion mit etwas Sarkasmus auch als sehr großen und sehr gruseligen Menschenversuch bezeichnen könnte, ergibt auch diese Zusammenstellung Sinn. Neben dem berühmten »Picknick am Wegesrand« (Aliens verstreuen ihre unbegreiflichen Artefakte auf der Erde, darunter eines, das angeblich Wünsche erfüllt) enthält der zweite Band »Milliarden Jahre vor dem Weltuntergang« (wollen wirklich Außerirdische verhindern, dass sich die Menschheit weiterentwickelt?) und schließlich »Das Experiment« (eine fremde Macht hat Menschen aus aller Herren Länder in eine rätselhafte Stadt verfrachtet und beobachtet ihre Reaktionen).
Im dritten Band der Strugatzki-Werkausgabe nun finden sich einige jener Texte, die von den Autoren selbst für ihre besten, aber auch ihre schwierigsten gehalten werden. Da wäre zunächst der Roman »Die Schnecke am Hang«, dessen Publikationsgeschichte
allein schon einer surrealen Erzählung gleicht. Ursprünglich als abenteuerliche Gorbowski-Erzählung geplant (das war der strahlende Held aus den Frühwerken der Gebrüder), geriet den Strugatzkis der Roman nach und nach zu einer sehr dichten, komplexen Satire. Zusammengesetzt aus zwei parallel verlaufenden Handlungen, durfte der Text in der Sowjetunion nicht erscheinen, jedenfalls nicht komplett. Eine der beiden Hälften – der Handlungsstrang im Wald – konnte jedoch als Buch gedruckt werden, während die andere Hälfte – die Handlung rund um die Verwaltung – nur in einer Zeitschrift erschien, die danach aus den Bibliotheken entfernt wurde (mitsamt den Illustrationen des SF-Autors Sewer Gansowski, die man sich heute im Internet anschauen kann: http://vu.chertkov.ru/node/57 ). Der unterdrückte Text wurde dann im Samisdat verbreitet, trug zum Nimbus der Autoren und zur Paranoia der Staatsmacht bei – das eine war eine komplizierte Exponentialfunktion des anderen – und wurde schließlich im Westen gedruckt. Erst 1988 erfolgte ein erster Gesamtabdruck auf Russisch.
Die nun vorliegende, wie schon gewohnt vervollständigte und durchgesehene Textfassung weist den Roman als eine frühe Abrechnung mit dem Irrsinn eines Staatsapparates aus, der alles Mögliche und vor allem seine eigene zweifelhafte Existenzrechtfertigung betreibt, nur eben nichts Sinnvolles tut … und dabei die Menschen, die unter seinen Eskapaden leiden, in den Wahnsinn treibt. Vor allem ist er nicht imstande, in dem rätselhaften Wald, auf den er von seiner Klippe aus in mehr als einer Hinsicht hinabsieht,
das zu erkennen, was wirklich vor sich geht. Eine Frauenzivilisation, die ohne Männer auskommt und in einer Art Symbiose mit dem Wald lebt, ist nur einer von vielen wirklich phantastischen Einfällen. Der Forscher hingegen, der mitten im Wald lebt und nicht in der Lage ist, aus all den sichtbaren Details ein Gesamtbild zusammenzusetzen, gleicht dem einem undurchschaubaren Staatswesen ausgelieferten Bürger, dessen Versuche, dem Leben zu trotzen, einer endlosen Kette von Versuch-und-Irrtum-Katastrophen nahekommen. Mehr als zwanzig Jahre nach dem Verschwinden der Sowjetunion liest sich das allerdings nicht wie eine Satire auf etwas, das es nicht mehr gibt, sondern sehr aktuell. Unbelastet von historischen Informationen kann der Leser die Verwaltung und vielleicht auch den Wald heute gerne für eine Satire auf die Eurobürokraten halten. »Stumpfes verwaltetes Vieh«, wie es Franz Fühmann in »Die Ohnmacht« nannte, gab’s dort und gibt es hier noch reichlich.
»Die zweite Invasion der Marsmenschen« ist eine weitere bittere Satire: Als Aliens die Menschen benutzen, um ihren aus unerfindlichen Gründen begehrenswerten Magensaft zu ernten, fügen sich die Menschen in ihr Schicksal, essen brav das blaue Getreide, das die Magensaftproduktion ankurbelt, und denken gar nicht daran, sich zu wehren. Im Gegenteil, sie betrachten jeden, der gegen die Versklavung der Menschen angeht, mit äußerstem Misstrauen, geht es ihnen doch im Großen und Ganzen gut. Dieser Text, in dem alle Menschen die Namen
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