Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
»Die Straße« erschienen ist), macht Theroux die kleinen Dinge zu großen Ereignissen: Nahrungssuche, Pferde und Hunde, schließlich ein weiterer Mensch – ein Kind.
Gerade als die Gefahr besteht, dass auch der Plot schon früh »zu Eis gefriert« und Langeweile ausbricht, mehren sich die Zeichen, dass noch weitere Menschen in der Gegend sind. Neugierig und zugleich vorsichtig macht sich Makepeace auf die Suche nach ihnen – und es kommt, wie es kommen muss: Die Fremden sind
natürlich keine Wohltäter, sondern Menschenhändler, die billige Arbeitskräfte für ein mysteriöses Projekt suchen. So verändert sich zwangsläufig auch der Schauplatz, als die Protagonistin gegen ihren Willen immer weiter ins Unbekannte mitgenommen wird. Auch die Sprache wird nun farbiger, mitreißender, und wir lernen die archaische (oder besser: mittelalterlich-feudale) Struktur der neuen Gemeinschaften kennen, die marodierend durchs Land ziehen und sich die letzten Rohstoffe und Energieerzeuger unter den Nagel reißen. Theroux ist nicht der erste Erzähler, der diese Vision entwirft, und wahrscheinlich auch nicht der beste (immerhin haben sich bereits Größen wie David Brin, John Brunner, P. D. James und viele andere an diesem Thema versucht), aber seine Story besticht durch Ehrlichkeit, Schnörkellosigkeit und das Vermeiden von Zynismus. Bei aller Düsternis der Handlung blitzen zwischen den Zeilen immer wieder Menschlichkeit und Schönheit auf; gerade weil Makepeace eine derart wortkarge, vertrocknete Persönlichkeit ist, freuen wir uns mit ihr über jede interessante Entdeckung, jedes positive Ereignis – und sei es noch so klein.
Von großen europäisch-russischen Vorbildern scheint Theroux inspiriert worden zu sein, als der endzeitliche Arbeitstrupp schließlich sein Ziel erreicht: Polyn, der verstrahlte Rest einer einstigen Forschungseinrichtung; eine Region unter Verschluss, in der sich seltsame Dinge abspielen und möglicherweise eine unbekannte Energiequelle verborgen liegt. Die Schilderung erinnert stark an die »Zone«, der wir in der Erzählung »Picknick am Wegesrand« der Strugatzki-Brüder begegnet sind (von Andrej Tarkowskij als Stalker
verfilmt); und auch der Geist von Stanisław Lem scheint durch die Erzählung zu schweben.
Was von »Weit im Norden« bleibt, ist somit weniger ein besonderes Science-Fiction-Erlebnis oder eine große Erkenntnis als eine sehr klare, genau gesetzte Sprache, die einen ruhigen, nachdenklichen Eindruck hinterlässt. Ein gutes Buch für lange Winterabende.
Uwe Neuhold
JEFF SMITH/CHARLES VESS
BONE: ROSE
Tokyopop, Hamburg 2011 · 144 Seiten · € 12, –
Jeff Smiths Bone ist eine der großen Erfolgsgeschichten des amerikanischen Self-Publishings. Pünktlich zum zwanzigjährigen Jubiläum liegt die Fantasy-Saga um die knuffigen Bone-Cousins, die irgendwann dann doch ganz schön düster und zugegebenermaßen auch ein bisschen zäh geworden ist, bei Tokyopop nun annähernd komplett in einer schicken deutschsprachigen Hardcover-Neuausgabe vor, erschienen 2011 doch auch noch die ein wenig außerhalb der eigentlichen Geschichte stehenden Bände Bone: Legenden und Bone: Rose .
Rose liefert dabei den Prolog zum »Herrn der Ringe« unter den Creator-Owned-Comics, also Comics, an denen die inhaltliche und rechtliche Kontrolle bei ihrem Schöpfer liegt. Im Verlauf der Geschichte treffen wir nicht nur den jungen Lucius und den stets großartigen Roten Drachen, sondern erfahren auch mehr über Rose, Briar und den Herrn der Heuschrecken. Das liest sich natürlich besonders mit Kenntnis der übrigen Bone -Kapitel äußerst gefällig, ist aber auch so eine gelungene Fantasy-Erzählung über ungleiche Schwestern, Vorhersagen, dubiose Lehrmeister, Verrat, Rattenmonster, Träume und zwei der tollsten Hunde, die das Medium zu bieten hat. Die Elemente der Geschichte, die sich um Roses Kampf gegen den bösen Drachen drehen, sind darüber hinaus eine Adaption der englischen Volkssage vom Lindwurm von Lambton.
Bone: Rose
Dass Smith die 2001 ursprünglich in drei Heften erschienene Vorgeschichte zu seinem Bestseller nicht selbst gezeichnet hat, ist indes nicht weiter tragisch: Immerhin hat so Charles Vess die Story mit seinem grazilen Artwork veredeln können. Vess hat in seiner Karriere nicht nur Spider-Man Peter Parker in die zweiten Flitterwochen nach Schottland geschickt oder mit Neil Gaiman an Sandman und Der Sternwanderer gearbeitet. Vess und Gaiman sind überdies die einzigen
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