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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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Vergangenheit, sie löst sie nicht auf. Was mit ziemlicher Sicherheit geschehen wird, ist, dass es mehr und mehr obsolet wird, alles unter einem Dach zu versammeln. Ein großer Verlag, zumindest in den USA, ist ja kaum noch mehr als eine Gruppe von Leuten, die eine viel größere Gruppe von freien Mitarbeitern koordiniert, und da kommt irgendwann der Punkt, an dem es nicht mehr das Privileg eines Verlages ist, diese Koordinationsarbeit zu leisten – das können dann auch Agenten oder Autorenkollektive oder Buchläden. Als Johannes Gutenberg die Druckerpresse erfand, hat er ja nicht gesagt: Wie wunderbar, jetzt brauchen wir unbedingt ein Lektorat und eine Werbeabteilung und einen Bertelsmann und so weiter! Nein, all das sind die Verfahrenweisen einer Branche, seit sie durch die letzte große Transformation gegangen ist, es sind Reaktionen auf einen technischen Veränderungsprozess, keine ewigen Wahrheiten. Natürlich müssen diese Funktionen weiterhin erfüllt werden, aber wer sie erfüllt und wann und wer sie bezahlt – das wird sich grundlegend ändern. Es ist ein bisschen so wie bei der Reformation: Sie hat die Kathedralen-Industrie zerstört, indem sie die Macht der Kirche gebrochen hat, über mehrere Generationen hinweg Kathedralen zu errichten. Trotzdem bedeutete die Reformation keineswegs das Ende des Kirchenbaus, ganz im Gegenteil.
    F: Und wie wird das Geschäftsmodell eines Autors aussehen?
    A: Da wird sich natürlich auch einiges verändern. Aber schon heute können nur die allerallerwenigsten Autoren vom
Schreiben leben – was sie nicht am Schreiben hindert. Wir alle werden uns überlegen müssen, wie wir unter veränderten Bedingungen ein Einkommen erzielen, aber das war immer so, wenn die Gesellschaft einen Transformationsprozess durchlaufen hat. Wer weiß, vielleicht sieht es ja für Autoren besser aus, wenn sie nicht mehr einen Teil ihres Einkommens abgeben müssen, nur damit so ein Verlagsboss in einem schicken Büro sitzen kann.
    F: Zum Stichwort Veränderung wollen wir abschließend noch ein kleines Spiel mit Ihnen spielen. Es geht darum, einen bestimmten Satz jeweils zu ergänzen. Der erste Satz lautet: Das Internet macht aus der Demokratie …
    A: (Überlegt)  … etwas, an dem viel mehr Menschen teilnehmen können als heute.
    F: Das Internet macht aus Literatur …
    A:  … ein Verb.
    F: Das Internet macht aus Identität …
    A:  … einen Monolithen.
    F: Das Internet macht aus Erinnerung …
    A:  … eine ausgelagerte Funktion.
    F: Das Internet macht aus der Ökonomie …
    A:  … eine gemütliche Achterbahnfahrt.
    F: Das Internet macht aus der Privatsphäre …
    A:  … einen Krieg.
    F: Und schließlich: Das Internet macht aus dem Kaffeetrinken …
    A: (Lacht) Das Internet macht aus dem Kaffeetrinken einen hochgradig vernetzten Prozess.
    F: Vielen Dank für das Gespräch, Mr. Doctorow!
    Sascha Mamczak und Sebastian Pirling sind Lektoren und Herausgeber des HEYNE SCIENCE FICTION JAHRES.

Meine Fortbewegungsweise ist ein reinster Anachronismus: Als lebten wir noch vor 150 Jahren, fahre ich mit der Eisenbahn von Salzburg nach München und verbrauche dabei zwar anteilsmäßig weniger Energie und Rohstoffe als mit dem PKW, dennoch müssen Hunderte Tonnen Metall und Kunststoff angetrieben werden, nur um Menschen von hier nach da zu befördern. Ich habe vor, ein Gespräch mit einem Mann zu führen, der in seinem Bereich und auf seine Weise daran mitarbeitet, das fossile Industriezeitalter hinter uns zu lassen und endlich in der Welt zu leben, die uns die Science Fiction schon seit ebenfalls 150 Jahren skizziert: eine Zivilisation, in der Künstliche Intelligenzen im Verbund mit weltumspannenden Netzwerken und neuen Werkstoffen unter anderem dafür sorgen, dass wir uns binnen Sekundenbruchteilen auf »saubere« Art zu jedem beliebigen Punkt der Erde bewegen können.
    Schließlich erreiche ich den Münchner Hauptbahnhof, der trotz Umbau ein wenig an viktorianische Steampunk-Settings erinnert, und mache mich zu Fuß auf den Weg zur Technischen Universität. In der Arcisstraße angelangt, erhebt
sich vor mir ein klobig-trutziger, dreigeschossiger Bau (auf Salzburger wirken übrigens alle älteren Münchner Gebäude klobig), in dem als Teil des Munich Center for Technology in Society (MCTS) die Carl-von-Linde-Akademie untergebracht ist. Unter den Arkaden hindurch, eine breite Treppe ins zweite Stockwerk hinauf, stehe ich vor der Tür von Professor Klaus Mainzer, Gründungsdirektor des

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