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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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Bulletin Boards, eine frühe Form von Mailboxen, arbeiteten damals mit FidoNet Feeds, eine sehr clevere Methode, Nachrichten zu verschicken. Mitte oder Ende der Achtziger kam dann John Gilmore, der auch die Electronic Frontier Foundation initiierte, mit seinem ersten unabhängigen DialUp Internetanbieter namens »Little Garden«. Usenet Feeds wurden damals nur in Universitäten und militärischen Einrichtungen verwendet, und John schuf mit Independent Usenet das erste unabhängige Kommunikationssystem im Netz noch vor dem World Wide Web, vor allem anderen. Kurz darauf bat John Tim Pozar, seinen leitenden Programmierer, Usenet und FidoNet miteinander zu verbinden. Und ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem das geschah, das war wie damals im 19. Jahrhundert, als in den USA die Eisenbahnlinien im Westen und Osten miteinander verbunden wurden. Ich wachte auf – und das Internet war in meinem Zimmer. Mann, war das großartig! Jahre später war ich auf einer Veranstaltung mit Tim und John, auf der sie sich die alten Geschichten erzählten, und ich bekam Gänsehaut, als ich ihnen zuhörte.

     
    F: Sie waren also von Anfang an Teil dieser Welt der Computerfreaks und Hacker. Hatten Sie damals auch mit Leuten wie Julian Assange Kontakt, die es inzwischen zu weltweiter Berühmtheit gebracht haben?
    A: Julian kenne ich nur flüchtig, aber wir haben natürlich viele gemeinsame Bekannte. Ich habe ja etliche Jahre für die Electronic Frontier Foundation, also in der Free-Software-Szene, gearbeitet. Damals war ich drei von vier Wochen unterwegs, war überall auf der Welt und habe jeden irgendwann mal getroffen. Ich hatte nie direkt mit Wikileaks zu tun, aber ich habe gute Freunde, die da mitgemacht haben. Im Zuge meiner Recherchen für die Fortsetzung von »Little Brother« habe ich zum Beispiel gerade länger mit Jacob Appelbaum gesprochen, einem der Programmierer von Wikileaks, den ich seit langem kenne.
    F: Hat Wikileaks, hat Julian Assange die Welt verändert?
    A: Ich glaube, es ist ein Fehler, wenn man Wikileaks auf eine Person reduziert. Wikileaks ist genauso wenig Julian Assange wie die USA Benjamin Franklin sind. Aber ja, Wikileaks hat schon jetzt etwas außerordentlich Wichtiges geleistet: Es hat das schiere Eigeninteresse und den Lobbyismus hinter den politischen Prozessen offengelegt, die dafür verantwortlich sind, dass so vieles in der Welt nicht stimmt. Wikileaks hatte wirklich einen transformativen Charakter, es hat die Debatte auf ein neues Level gehoben. Deshalb gibt es Occupy, deshalb gibt es Anonymous. Es hat all diese Protestbewegungungen viel politischer gemacht, als sie es sonst womöglich gewesen wären.
    F: Sind das – Aktivisten wie die von Anonymous – die Cyberpunks, wie sie sich William Gibson vorgestellt hat?
    A: (Überlegt) Gute Frage. Gibson hat »Neuromancer« ja immer als hoffnungslos optimistisches Buch bezeichnet. Zum Beispiel gibt es darin nur einen begrenzten Nuklearkrieg, die Welt
ist mehr oder weniger intakt, was nicht der Zukunftserwartung zu Beginn der Achtziger entsprach, als er den Roman geschrieben hat. Aber ich glaube, was Gibson und der frühe Cyberpunk wirklich bewirkten, war, dass sie in unserem Umgang mit Technik die Perspektive verschoben haben: Vorher hatte man irgendein verrücktes Genie, das eine neue bahnbrechende Technologie ersinnt – jetzt ist es eher die »Straße«, also wir alle, die entscheidet, was nützlich ist und was nicht. Gibson hat, wenn Sie so wollen, die Technik aus der Verpackung genommen und den Leuten in die Hand gedrückt. Ja, das hat uns damals am meisten beeindruckt: dass Technologie etwas ist, das man nicht nur benutzt, sondern das man auch beeinflussen kann. Und genau das ist ja der Kern der Propaganda von Anonymous. Aber es kommt noch etwas anderes hinzu: Neben den ganzen Aktivitäten von Anonymous – ob sie nun Tierquälerei anprangern oder American Express attackieren – wird oft übersehen, dass das wirklich ungemütliche Typen sind. Sie pflegen eine Sprache und Verhaltensweisen, die die Bourgeoisie unter keinen Umständen je adaptieren wird. Und das ist wichtig, denn es dauert ja inzwischen nie sehr lange, bis die Revolution auf einem T-Shirt landet. Der Mainstream absorbiert jede Subkultur, egal, wie radikal sie sich geriert – genau darüber hat die allererste Cyberpunk-Generation, haben Bruce Sterling, John Shirley, Richard Cadrey ja geschrieben. Deshalb versuchen Anonymous und andere eine Strategie zu fahren, die es dem

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