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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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Mainstream unmöglich macht, sie sich einzuverleiben. Gleichzeitig kommt ihre Ikonografie, die Guy-Fawkes-Maske, bizarrerweise von einem Hollywood-Film – und ich bin mir sicher, dass man diese Masken in kürzester Zeit bei GAP kaufen kann. Warner Brothers kriegt ja jetzt schon Royalties dafür.
    F: Ist unter diesen Umständen überhaupt noch eine Revolution möglich?

    A: Nun, ich denke, genau das versucht Occupy herauszufinden. Darum stellt Occupy auch keine konkreten Forderungen – der einfachste Weg, eine Revolution zu verhindern, ist ja, Forderungen zu erfüllen. Nein, der Protest selbst ist die Forderung. Der Protest will einen Freiraum schaffen, um unter Beweis zu stellen, dass eine Gesellschaft, in der Solidarität und Individualität kein Gegensatz sind, wirklich funktionieren kann.
    F: Wie, denken Sie, wird sich das Internet weiterentwickeln? Bruce Sterling hat ja kürzlich seine Vorstellung von einem »Internet of Things« beschrieben, wo sämtliche technischen Geräte um uns herum dezentral miteinander vernetzt sind.
    A: Ja, eine tolle Sache. Ich habe selbst gerade eine »Internet of Things«-Geschichte geschrieben. Aber wissen Sie, ich sehe mich nicht als Science-Fiction-Autor, der irgendetwas vorhersagt. Auch Mary Shelley hat ja keine Vorhersagen über die Zukunft der Reanimation gemacht, sie hat ein Statement – wenn Sie so wollen, ein politisches Statement – über die Interaktion zwischen Natur und menschlicher Technologie abgegeben. Das Genre stellt ein Vokabular für die Zukunft zur Verfügung, es sagt sie nicht vorher. Aber was das Internet betrifft: Man muss kein Prophet oder Science-Fiction-Autor sein, wenn man sagt, dass wir bald einen Computer in unseren Körpern tragen werden, der mit dem Internet verbunden ist. Denken Sie nur an Hörgeräte. Wir sind die Generation, die mit dem Walkman groß geworden ist, also werden wir so um die sechzig mit ziemlicher Sicherheit Hörschwierigkeiten bekommen – und wir werden Hörgeräte haben, die mit dem Netz verbunden sind, um etwa Audio-Programme streamen zu können. Diese Entwicklung ist einfach nur logisch.
    F: Wird die Science Fiction in dieser Zukunft – die sich ja wie Science Fiction anhört – obsolet sein?

    A: Überhaupt nicht. Ich glaube, dass es kaum etwas Wichtigeres gibt als eine Literatur, die uns ein Vokabular dafür vermittelt, was die Technologie aus der Gesellschaft macht. Ich war zum Beispiel vor Kurzem an einem Intel-Projekt beteiligt. Sie haben Science-Fiction-Autoren gebeten, Geschichten über die Zukunft der Computertechnik zu schreiben – keine Vorhersagen, sondern Geschichten, die einen Gedankenaustausch unter den Ingenieuren darüber initiieren sollen, wie Computer in zehn Jahren verwendet werden könnten. Denn es dauert zehn Jahre, um eine neue Generation von Computer-Chips zu entwickeln, also müssen sie jetzt darüber nachdenken. Sie sehen also, was wir tun: Wir stellen ein Vokabular für die Möglichkeiten zur Verfügung, wie Technologie funktionieren kann – und daraus ergibt sich dann, wie die Leute entscheiden, dass sie funktionieren wird.
    F: Sie arbeiten außerdem ja noch an einem anderen längerfristigen Projekt: Sie erzählen klassische Science-Fiction-Storys wie »I Robot« oder »Martian Chronicles« neu.
    A: Ja, aber das sind keine neu erzählten Varianten dieser klassischen Geschichten, sondern gewissermaßen Reaktionen darauf – sie haben nur denselben Titel. Zum Beispiel geht es in meiner »I Robot«-Geschichte um einen wichtigen Aspekt, der bei Asimov gefehlt hat: Wer baut eigentlich diese ganzen Roboter? Asimov hat ja, was das Roboter-Design betrifft, eine absolut regulierte Gesellschaft beschrieben, in der es nur einer Firma erlaubt ist, einen ganz bestimmten Typ Roboter zu bauen. Aber inzwischen ist ja offensichtlich geworden, dass ein pluralistischer Ansatz in Sachen Technik-Design positive Folgen für Frieden und Fortschritt in der Welt hat – was in Asimovs Analyse nicht vorkam. Ich fülle diese Lücke, indem ich eine gänzlich neue »I Robot«-Geschichte schreibe und beobachte, wie meine »Erzählung« mit seiner interagiert. Bisher habe ich sechs dieser Geschichten
geschrieben und noch einige weitere im Kopf – wer weiß, vielleicht wird ja eines Tages ein Buch daraus.
    F: Was uns zur naheliegenden Frage bringt, ob es in Zukunft überhaupt noch so etwas wie Bücher geben wird. Oder Verlage.
    A: Ach, nichts hört wirklich auf zu existieren – die Zukunft kompostiert die

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