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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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MCTS und Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie und Wissenschaftstheorie.
    Überraschenderweise muss ich mich nach dem Anklopfen nicht durch Vorzimmer und Sekretariate kämpfen, sondern befinde mich sofort in Professor Mainzers Büro: ein kleines, fast quadratisches Zimmer, spartanisch möbliert (Schreibtisch, Regal, Besuchertisch und ein paar Sessel) und alles in Grau – lediglich ein paar Schreibtischutensilien und Buchrücken spenden Farbe. Möglicherweise beflügelt diese protestantische Schlichtheit die hier entworfenen innovativen Ideen umso mehr. Klaus Mainzer kommt mir entgegen (überhaupt versprüht er sofort eine angenehme, nette und neugierige Höflichkeit wie nur ganz wenige Menschen) und scheint meine Gedanken lesen zu können: denn er erwähnt gleich nach der Begrüßung, wie sehr ihm das barocke, farbenfrohe Salzburg gefällt, wo er sich kürzlich bei einem Kongress aufhielt. Darauf möchte ich etwas Aufmunterndes erwidern: »Dafür haben Sie hier aber einen tollen Blick auf die Alte und Neue Pinakothek gegenüber.« In der Tat ist die TU München in ein sehr ansprechendes, historisches und dennoch lebendig-grün wirkendes Ambiente gepflanzt. Mainzer lacht jedenfalls und bittet mich, Platz zu nehmen. Dabei fällt ihm ein, dass vor hundert Jahren, am 23. Juni 1912, einer der maßgeblichen Vordenker der Künstlichen Intelligenz geboren wurde: der Brite Alan Turing.

    Professor Klaus Mainzer
    A: 2012 haben wir ja das Turing-Jahr …
    F: Ist doch ein guter Einstieg in unser Gespräch.
     
    Wir setzen uns und ich schalte das winzige Aufnahmegerät ein, das Professor Mainzer gleich auffällt: Mit einem kurzen, interessierten Blick betrachtet er es und scheint im Geiste die Technologie auseinanderzunehmen. Dann lehnt er sich zurück und beginnt zu erzählen, nun ganz in seinem Element …
     
    A: Auch die erste Definition von »Künstlicher Intelligenz« (K.I.) stammt von Alan Turing. Abgekürzt besagt sie, dass man ein System dann intelligent nennen kann, wenn es in seinen Antworten nicht von denen eines Menschen unterschieden werden kann.

    F: Der berühmte Turing-Test.
    A: Ja, das ist aber auch eine sehr anthropozentrische Definition: Sie macht Intelligenz vom Menschen abhängig. Das führt dann dazu, dass viele sagen oder sagten: »Wo ist denn nun die K.I.?« Im Übrigen ist mir das auch viel zu subjektiv. Meine Definition macht Intelligenz abhängig von dem Grad der Schwierigkeit – oder Komplexität –, bestimmte Probleme zu lösen. Das heißt: Ein System hat einen bestimmten Grad an Intelligenz, wenn es in der Lage ist, eine bestimmte Aufgabe zu lösen. Dann hat zum Beispiel eine Zelle Intelligenz. Und auch eine Zecke kann ein ganz bestimmtes Problem lösen. Zum Beispiel hat sie evolutionär gelernt, sensorisch Blut zu wittern, um am Leben zu bleiben. Und in dem Sinne ist auch ein Computerchip intelligent, der in der Lage ist, ein Muster zu erkennen. Das mag jetzt für unsere Verhältnisse ein eher primitiver Grad von Intelligenz sein, aber es ist einer. Und philosophisch hat diese Art der Definition auch eine Tradition. Sie geht ursprünglich auf Descartes zurück, der sagte: Alle Lebewesen sind Automaten, nur dieser »Superautomat Mensch« hat auch einen Geist. Daher kommt diese für meine Begriffe unselige Trennung zwischen Geist und Maschine.
    F: Also auch das Problem, wie der Geist in die Maschine kommt.
    A: Ja. Andererseits hat ein Nachfolger von Descartes, der hängt hier übrigens an der Wand über meinem Schreibtisch …
    F: Das dürfte Leibniz sein.
    A: Ja, er hat von »Graden« gesprochen. Demnach gebe es ganz dumpfe »Beseelungen« bis hin zu »intelligenten« wie bei uns. Es war noch ein frommes Zeitalter, daher stellte er sich vor, dass es vielleicht auch noch Wesen gibt, die intelligenter sind als wir. Und am Ende der Skala steht dann Gott. Wenn man mal jetzt von diesen metaphysischen Hintergründen absieht, denke ich, ist es ein ganz cleverer Zugang.
Denn wenn wir diese Definition als Arbeitsdefinition nehmen, dann sind wir schon in der Technik überall von intelligenten Funktionen umgeben. Und wir steigern diese. Teilweise realisieren wir sie auch auf andere Weise, als Menschen sie im Lauf der Evolution gelernt haben.
    F: Leibniz und seine Monadenlehre (nach der das Universum aus unzähligen »Monaden« zusammengesetzt ist, individuellen, einfachen, unteilbaren Substanzen, die im Grunde einem neuronalen Netz und damit »denkenden Computern« vergleichbar sind) also als

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