Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012
warten wir mal ab, wie’s wird.
F: Es gibt in der Science Fiction, was die Raumfahrt der Zukunft betrifft, auch eine Zwischenstufe, falls die Quanten-Teleportation nicht funktionieren sollte. Denn auch Zeilinger meint ja, dass schon allein die schiere Datenmenge der menschlichen Zellen, Moleküle und Neuronen viel zu hoch für absehbare Raumfahrer-Übertragungsprogramme sei. Hier wäre es schon hilfreich, wenn wir es schaffen, eine digitale Kopie des menschlichen Geistes auf Festplatte zu kopieren – denn dann müsste unser Raumschiff nur noch so groß wie eine Coladose sein und könnte mit seiner geringen Masse natürlich viel leichter auf relativistische Geschwindigkeiten beschleunigt werden. Doch wie kann man es überhaupt schaffen, ein derart komplexes System wie den Menschen als Kopie abzuspeichern?
Hier nun erwarte ich insgeheim, dass Klaus Mainzer – wie alle Informatiker, mit denen ich bisher über dieses Thema gesprochen habe – vor dem Gedanken an solche Datenmengen in die Knie gehen, resignierend den Kopf schütteln und so etwas wie »Ja, leider …« sagen wird. Doch ich habe offenbar Mainzers Forscherwillen und Visionsgeist unterschätzt, denn er überrascht mich mit seiner Antwort …
A: Also zunächst mal muss ich sagen: Ich gehe vor der Komplexität des Menschen keineswegs in die Knie. Ich kann mir durchaus komplexere Systeme vorstellen. Wir sind zwar ziemlich komplex, das kann man in Zahlen und Maßen angeben, aber ich halte es offen gestanden für überschaubar. Vor großen Zahlen hatten wir eigentlich noch nie Angst. Ich könnte mir vorstellen, dass wir das Ganze zukünftig kodieren können. Wir wissen aus der Berechenbarkeitstheorie, dass wir hochkomplexe Vorgänge – also etwa auch ein hochkomplexes Programm – in einer einzigen Zahl kodieren könnten, das zeigten in ähnlicher Form schon Gödel und Turing. Letztendlich ist dann – laut Theorie der rekursiven Funktionen – alles in einer Zahl, einer Maschinenzahl kodiert. Also insofern könnte ich mir vorstellen, dass man das Gehirn irgendwann mal einscannt. Übrigens: Ein Flagship-Programm der europäischen Forschung besteht tatsächlich darin, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, das gesamte Gehirn bis auf die zelluläre Ebene einscannen zu können. Zukünftig könnten wir also jede Funktion jeder Zelle digital festhalten. Das wird in TV-Wissenschaftssendungen zwar oft so dargestellt, als wäre es längst realisiert, aber das sind natürlich Fakes. Grundsätzlich ist es aber durchaus möglich, und ich halte es auch für in den nächsten Jahren absehbar. Wenn man es dann hätte, könnte man sich vorstellen, einen ganzen Menschen zu kodieren. Überlegen Sie sich, welche riesigen Mengen an Informationen schon heute täglich kodiert und versendet werden können. Gerade bevor Sie kamen, erhielt ich etwa ein E-Mail-Attachment, das ich nicht öffnen konnte, weil es zu groß war …
F: Vielleicht hat Ihnen schon jemand sein Gehirn geschickt?
A: Ja (Lacht) – das wäre so ähnlich. Aber es sind jedenfalls quantitive Größenordnungen – so etwas halte ich auf die Dauer für beherrschbar. Übrigens hat man ja in der Raumfahrt
bereits schon vor längerer Zeit bestimmte irdische Objekte eingescannt, in der Hoffnung, dass irgendwelche Aliens, die sie finden, diese dekodieren können.
F: Wenn man es im Zuge aktueller Forschungen schafft, ein Modellgehirn im Computer nachzubauen – hätte man dann ein Verzeichnis, ein Directory, in das die Gehirnstruktur und -inhalte eines jeden Menschen kopiert werden könnten, sodass man die Struktur nicht jedes Mal neu entwickeln müsste, oder bräuchte man doch eher für jeden Menschen eine individuelle Verzeichnisstruktur?
A: Da ist die Frage, wie weit es medizinisch haltbar wäre. Denn die Beobachtungen zeigen, dass wir keineswegs identisch sind. Es gibt zwar robuste Muster, die wir zum Beispiel im PET-Verfahren sehen. Aber sie sind nicht bei jedem Menschen identisch. Wir können viel über die Individualität des Menschen philosophieren, aber die Realität zeigt, dass es diese durchaus gibt. Man sollte nur nicht übertreiben und etwas Mystisches daraus machen, dass also jeder völlig neu wäre – also so einzigartig sind wir dann doch wieder nicht. Wir beide zum Beispiel sind uns biologisch und neurologisch gesehen schon sehr ähnlich, einschließlich unserer Gehirnstrukturen – sonst könnten wir uns auch gar nicht unterhalten.
F: Das führt mich dazu, dass sowohl Anton
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