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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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Zeilinger als auch Sie in Ihren Publikationen sagen, dass das menschliche Bewusstsein – und insbesondere der freie Wille – eigentlich überbewertet werden. Dass sie im Grunde eine Illusion sein könnten, die aus unserem neuronalen Netz emergiert. Da stellt sich die Frage: Muss eine K.I. das eigentlich überhaupt zu kopieren versuchen, um uns gleichwertig zu sein?
    A: Also zum freien Willen: Was ich damit – auch etwas provokativ – sagen wollte, sollte nicht heißen, dass er eine Illusion
ist. Ich glaube, das ist ein Missverständnis der Libet-Experimente …
    F: Sie meinen die neurologischen Experimente, bei denen die Probanden dachten, sie hätten zu einem bestimmten Zeitpunkt frei entschieden, auf einen Knopf zu drücken oder den Arm zu heben, während es in Wahrheit für die Experimentatoren schon vorher anhand von Gehirnmessungen sichtbar war, wie sie sich entscheiden würden?
    A: Ja. Das, was wir freier Wille nennen, ist da ja auch neurobiologisch keineswegs ausgeschaltet. Dass unser Gehirn vor einer »bewussten« Entscheidung bereits diesbezügliche Reaktionen ablaufen lässt, ist an sich ja nichts Neues. Deshalb habe ich mich gewundert, weshalb diese Experimente eine so große Diskussion auslösten. Man erlebt auch, dass Entscheidungen in uns heranwachsen und wir uns häufig erst hinterher klarmachen, wie wir entschieden haben. Nun wurde das Ganze so dargestellt, als wäre der Wille nur ein nachgeordneter Buchhalter, der Wille – die bewusste Entscheidung – zeigt ja, dass wir auch in der Lage sind, korrigierend auf die spontanten Abläufe im Organismus einzuwirken. Darauf setzt unsere ganze Rechtsprechung. Dass wir nicht in impulsiver Handlung unser Gegenüber umbringen, sondern dass wir aufgrund unserer sozialen Organisation Kontrollbewegungen dazwischenschalten und es steuern. So entstanden Mechanismen in der Gesellschaft, die unser Zusammenleben erst möglich machen. Insofern hat der Wille, das darauf bauende Konstrukt der freien Entscheidung – von der die Rechtsprechung ausgeht – natürlich auch eine enorme Bedeutung. Das darf man nur nicht missverstehen, dass diese freie Entscheidung auch biologisch so gemeint ist – biologisch gemeint ist nämlich die Fähigkeit, im Nachhinein kontrollierend bewusst auf unser Entscheidungsverhalten einzugehen. Was ich sagen wollte, war: dass
viele Abläufe in unserem Alltag, unserem Zusammenleben, nicht bewusst gesteuert sind. Ich würde sogar sagen, der größte Teil ist von dieser Art. Auch jeder Mediziner würde bestätigen, dass unser Gehirn völlig überlastet wäre, wenn wir in einer Kontrollwut versuchen würden, alle Abläufe in unserem Leben bewusst zu entscheiden und zu kontrollieren. Da würden wir verrückt werden. Die Natur hat da gute Filter eingebaut, damit nur wenige Entscheidungen »vorgelassen« werden, um bewusst gefällt zu werden. Damit haben wir dann genug zu tun.
    F: Sie haben die Rechtsprechung erwähnt. Der australische Philosoph Peter Singer fordert ja beispielsweise, dass auch Tieren Menschenrechte zugestanden werden. Sehen Sie analog dazu einen Punkt in unserer Zukunft, an dem wir sagen werden, wir müssen Menschenrechte auch künstlichen Intelligenzen – also Maschinen und Computern – geben?
    A: Also, den Tieren sollten wir keine Menschenrechte geben, sondern Tierrechte. Damit meine ich allerdings nicht das Tierrecht, das wir heute haben. In diesem Punkt bin ich durchaus auf einer ähnlichen Linie wie Singer, der ja ansonsten ein umstrittener Ethiker ist. Denn aus meiner naturwissenschaftlichen Kenntnis der Evolution bin ich der Ansicht, dass wir es mit hoch entwickelten Lebensformen zu tun haben, die zwar kein mit unserem identisches Bewusstsein, aber durchaus Züge davon haben – und das sind Tiere, die unserer täglichen Ernährung dienen. Ausgerechnet die Schweine haben höchstwahrscheinlich die meiste medizinische Ähnlichkeit mit uns – darum werden sie ja auch zum Beispiel in der Kriegsforschung so gerne missbraucht. Wenn man sich vorstellt, was im Bewusstsein eines Tieres abläuft, wenn es in den Schlachthof geführt wird, vergeht einem die Lust auf das saftige Schnitzel. Das sind Lebewesen mit einer hoch entwickelten Emotionalität und mit
Schmerzempfinden – das wissen wir, weil bei ihnen das limbische System und entsprechende Hirnverschaltungen vorhanden sind. Da bekommt man höchsten Respekt vor Kulturen, die diesbezüglich eine weitaus höhere Sensibilität als wir entwickelt haben, also

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