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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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lenken. Sein Interesse an der Lemologie habe damit zu tun, dass Lem einer der Ersten gewesen sei, der einen generalisierenden Denkansatz einem ausschließlich spezialisierten vorgezogen hätte, nicht ohne sich der Risiken bewusst zu sein. Dieser verallgemeinernde Zugriff auf Daten und Modelle habe damals durch die Einführung der Kybernetik in der Luft gelegen, diese habe durch Defizite in der Konzeption und der technologischen Entwicklung viele ihrer Projekte jedoch nicht realisieren können. Lem sei immer ein »Geisteskind« des kybernetischen Zeitalters ab Mitte des 20. Jahrhunderts geblieben. Die angesichts überdeterminierter Problemlagen später im gleichen Jahrhundert aufgetauchte Forderung nach Interdisziplinarität sei oft genug an akademischem Dünkel und Diskurs-Inkompatibilitäten gescheitert. Lems breiter Ansatz der Problembeschäftigung sei von umso größerer Bedeutung, als er früh ein Problem beschrieben habe, dass der Zivilisation im letzten Jahrhundert immer mehr zu schaffen machte. Lem war einer der Ersten, der die Gefahr einer drohenden Informationslawine erkannte. »Megabit-Bombe« lautete seine griffige Formulierung. In der »Summa technologiae« skizzierte er die Perspektive, dass zur längerfristigen Überwindung dieser Informationskrise die Erkenntnisprozesse automatisiert werden müssten. In dem Unterkapitel »Das große Spiel« forderte er einen Umbau der gesamten
Wissenschaft. »Es geht darum, Informationen ohne Vermittlung von menschlichen oder elektronischen Gehirnen aus der Natur zu ›extrahieren‹, um so etwas wie eine ›Informationszucht‹ bzw. eine ›Evolution der Information‹ zu schaffen.« Und Schulenburg stellte die gleiche Frage, wie sie auch schon Lem formuliert hatte: »Könnten wir nicht ›Informationen züchten‹, sie miteinander kreuzen und derart ›wachsen‹ lassen, dass wir am Ende als ›reifen Organismus‹ eine wissenschaftliche Theorie erhalten?« In der informationellen Evolution könnte dann die Methode der Vererbung erworbener Merkmale nach Lamarck zur Anwendung kommen. MODERATOR 1.0 dankte Schulenburg für diesen Einwurf und erteilte erneut Czerski das Wort.
    Dieser ließ nicht locker und wiederholte noch einmal, worin er den Hauptvorteil der künstlichen Evolution sehe: Zeitgewinn. Er zitierte den berühmten Schlussabsatz der »Summa technologiae«: »Alles bewirkend, versteht sie [die Natur, d. Verf.] nichts – doch wie viel wirksamer ist ihre Vernunftlosigkeit als unsere Klugheit! Sie tut das fehlerhaft, sie ist ein verschwenderischer Verwalter von synthetischen Sätzen über die Eigenschaften der Welt, denn sie kennt deren statistische Natur und handelt gerade ihr entsprechend: Einzelnen Sätzen misst sie keine Bedeutung bei – für sie zählt die gesamte milliardenjährige Aussage. Wahrlich, es lohnt sich, eine Sprache zu lernen, die Philosophen hervorbringt, während die unsere nur Philosophien erzeugt.« Was die Natur Milliarden Jahre gekostet habe, könne man nun unter besseren Bedingungen beschleunigen. Noch sei die Menschheit nicht in gleichem Umfang wie die Natur in der Lage, Prozesse der Selbstorganisation in Gang zu setzen. Aber der Mensch werde lernen, sie in allen Belangen zu imitieren und über ihre Lösungen hinauszugehen. Erst dann sei das »Reich der Freiheit« erreicht. In den Abschnitten
zum »Bereich der Imitologie« beschreibe Lem das Leistungsspektrum der Evolution in bemerkenswerter Prägnanz: »Auf den ›Einfall‹, Prozesse von größerer Wahrscheinlichkeit (Zunahme der Entropie, der Desorganisation) mit Prozessen von geringerer Wahrscheinlichkeit (Entstehung lebender Organismen) zu verknüpfen, was eine Zunahme der Organisation und einen Rückgang der Entropie nach sich zog, ist die Natur schon vor Jahrmilliarden gekommen. So schuf sie Hebelarme, chemodynamische und chemoelektrische Maschinen, Transformatoren, welche die Sonnenenergie in chemische Energie umwandelten (die Skelette der Wirbeltiere, ihre Zellen, die photosynthetisierenden Pflanzen), aber auch Pumpen in mechanischer (das Herz) und osmotischer Ausführung (die Nieren), ›fotografische‹ Apparate (die Sehorgane) usw. Im Bereich der Bioevolution überging sie die Nutzung der Kernenergie, da die Strahlung die genetische Information und die Lebensprozesse zerstört, ›wandte‹ sie dagegen bei den Sternen ›an‹.« Bei aller Vielfalt seien der Natur im Mikro- und Makrokosmos aber auch Grenzen gesetzt. Bisher sei die Welt von den Menschen nur punktuell

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