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Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012

Titel: Heyne - Das Science Fiction Jahr 2012 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha u. a. Mamczak
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abgeändert worden; es gelte aber, »omnipotenzielle Generatoren« ans kosmische Werk zu setzen. Die Pantokreatik sei nach Lem die Wissenschaft von der Erreichung aller künstlichen Ziele, von denen die der Natur eine Teilmenge seien – so seine Definition aus dem Abschnitt »Prolegomena der Allmacht«.
    Mit Lem könne man des Weiteren die Sprachen auf einer zweipoligen Skala verteilen. »Die natürliche Sprache nimmt auf dieser Skala einen Platz unweit des ›verstehenden‹ Pols ein, die Sprache des Physikalismus steht irgendwo in der Mitte, und die Sprache der Vererbung liegt direkt am ›bewirkenden‹ Pol.« Czerski fasste zusammen, dass die bewirkende Sprache von der molekularen Ebene zur makroskopischen
ausgehe; demgegenüber entstehe die natürliche Sprache auf der makroskopischen Ebene und gehe in der Praxis der Bezeichnung über sie hinaus in die Richtung von Mikro-und Makrokosmos. Um ihre Beschränkungen zu überwinden und eine weitergehende Genauigkeit zu erreichen, müsse die über Menschen vermittelte verstehende Sprache – mithilfe von autonomen Informationsmaschinen – »die bewirkenden Sprachen des nächsten Wurfs« produzieren, die wiederum ihre Erzeuger und deren Grenzen des Verstehens überschreiten würden. So sei eine höhere Stufe der Gestaltungskomplexität, ein größerer sprachlicher Reichtum zu gewinnen, so wie die natürliche Sprache reicher sei als die des genetischen Codes. Lem könne in der Konsequenz als Entdecker einer weiteren intentional-erzeugenden Sprache gelten, der instantan-operativen Generator-Sprache. Um seine bisher unterschätzten Ideen zur »Ingenieurskunst der Sprache« zu erwähnen: »Wenn es gelingt, unter der Aufsicht von sich selbst organisierenden Gradienten die von endlichen Automaten hervorgebrachten Algorithmen mit den aus den Phänomenen fließenden nichtalgorithmischen Informationsströmen zu kreuzen, wird die bewirkende Sprache aufhören, eine verstehende Sprache zu sein … Die verstehende Sprache wird übrig bleiben als Beobachterin der von den gnostischen Automaten geführten Informationsfeldzüge.« Dem Rezensenten fiel auf, dass Anthor an dieser Stelle unmerklich nickte.
    Die »Buddha-KI« Anthor äußerte sich so gut wie gar nicht. Die anderen Teilnehmer hatten keine Frage an sie. Auf Fragen aus dem Publikum, die über die Moderations-Software vermittelt wurden, schien sie nur widerwillig zu reagieren. Sie gab zu Protokoll, dass sie das Unterkapitel »Die Autoevolutive Maschine« in der »Summa technologiae« nicht sehr ergiebig finde. Sie betonte, dass sie nur teilgenommen habe,
um einigen geistigen Elaboraten Lems ihre Reverenz zu erweisen. Neben dem Ideenroman »Also sprach GOLEM« sei es besonders seine Kurzgeschichte »Tagebuch« aus dem Jahr 1962, die auf Wohlwollen bei den Künstlichen Intelligenzen gestoßen sei. Dieser fiktive Monolog einer außerirdischen KI spiegele im Ansatz die Rast- und Maßlosigkeit eines von herkömmlichen Kategorien befreiten Wesens wider, das über (vermeintliche) Allmacht im Denken und Handeln verfüge. Zur Veranschaulichung zitierte sie aus der Kurzgeschichte : »Niemals mindert sich unseres Denkens weiträumige Freiheit, wird an beliebig vielen allerverschlungensten Werken nicht abgebeugt, die Ruhe der Übereinstimmung wird uns nicht umfangen: Das ist gewiss. Diese Gewissheit ist nicht aus uns, wir selbst sind sie. Beweis – allein schon das überstandene Unmaß.« Dann verstummte sie für den Rest der Veranstaltung.
    Das angekündigte Experiment soll auch noch angesprochen werden – es ging gründlich daneben. Die lemologische Gesellschaft hatte sich etwas Besonderes ausgedacht und wollte einen »echten« Lem-Avatar präsentieren. Mühsam war über Jahre eine umfangreiche kognitive Wissensbasis erzeugt worden, mithilfe derer man die Person Lems simulieren wollte. In Originalgestalt, nach alten Fotografien und Videoaufnahmen rekonstruiert, betrat er die Arena, nur um sich sogleich in wüsten Beschimpfungen über die Konferenz zu ergehen. Nichts habe sich geändert, alles müsse man selber machen. Auch nach zweihundert Jahren hätte man seinen »GOLEM« nicht verstanden. Die Menschheit drehe sich nach wie vor im Kreis ihrer gewohnten Sinn-Produktion, dabei habe sie die Herausforderung direkt vor der Nase. Den Veranstaltern blieb nichts anderes übrig, als den Lem-Avatar zu deaktivieren. Die Programmierer rätseln noch, was schiefgegangen ist. Schade, es wäre eine nette Zugabe gewesen,
seine Meinung zu

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