Heyne Galaxy 06
auch mit dem unglaublichen Gleichgewicht der ökologischen Verhältnisse vereinbaren.«
»Lächerlich!« schnaubte Weber verächtlich.
»So lächerlich ist das gar nicht«, meinte Kemper. »Zumindest nicht so lächerlich wie die Tatsache, daß wir weder ein Gehirn noch ein Nervensystem fanden. Und auch nicht so lächerlich wie meine Bakterien.«
»Ja, Ihre Bakterien!« Weber schüttelte den Kopf und nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. »Was ist eigentlich damit?«
»Es wimmelt von ihnen im Fleisch des Viechs. Man findet sie überall, nicht etwa nur im Blut oder an ganz bestimmten Stellen. Nein, sie sind überall, im ganzen Organismus. Und sie gehören alle derselben Art an. Normalerweise sind hundert verschiedene Arten von Bakterien notwendig, einen Metabolismus einwandfrei funktionieren zu lassen, aber hier gibt es eben nur diese eine Sorte. Es steht somit fest, daß sie die Aufgaben aller nicht vorhandenen Bakterienarten erfüllt.« Kemper grinste in Webers Richtung. »Die Bakterien haben sogar die Funktion des Gehirns und des Nervensystems übernommen.«
Parson ließ seinen Herd im Stich und kam zu unserer Gruppe. Er stemmte die Arme in die Hüften.
»Wenn ihr mich fragt, so kann es ein Lebewesen wie die Viecher überhaupt nicht geben.«
»Es gibt sie aber«, klärte Kemper ihn auf.
»Trotzdem ergibt alles keinen Sinn. Nur eine Art von Leben auf diesem Planeten! Nur eine Sorte Gras, das der Ernährung dient! Ich wette, wenn wir genaue Untersuchungen anstellen, werden wir herausfinden, daß es gerade soviel Viecher gibt wie Gras für sie vorhanden ist. Nicht ein Stück mehr! Es wird somit auch niemals zuviel Gras hier geben.«
»Was ist daran so verkehrt?« fragte ich, mehr um ihn herauszufordern.
Für einen Augenblick sah es so aus, als wolle er mit der Gabel auf mich los, aber dann überlegte er es sich anders. Er brüllte mich an:
»Gleichgewicht der Natur … das meinen Sie wohl, was? Gibt es nicht, mein Lieber! Wenigstens nicht in diesem Ausmaß. Hier bedeutet es Stillstand. Keine Fortentwicklung, keine Auslese. Stagnation.«
»Das ist keine Argumentation«, belehrte ihn Kemper ruhig. »Die Tatsachen dieser Welt lassen sich nicht mehr wegleugnen. Wir können uns höchstens die Frage stellen, warum es so ist. Wie es dazu kam, sollten wir versuchen herauszufinden.« Er deutete in die Grassteppe hinaus. »Warum man es so plante«, fügte er noch hinzu.
»Nichts ist geplant«, meinte Weber unsicher. »Das wissen Sie so gut wie ich.«
Parson kehrte an seinen Ofen zurück. Fullerton war verschwunden. Vielleicht hatte ihn die Eröffnung zu sehr enttäuscht, daß die Viecher Eier legten und Milch gaben.
Nur wir vier saßen noch am Feuer. Endlich sagte Weber:
»In der ersten Nacht löste ich Bob bei der Wache ab. Da sagte ich zu ihm … können Sie sich erinnern, Bob?«
»Ja. Symbiose.«
»Und was sagen Sie heute?« wollte Kemper wissen.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Was wir sehen, kann es einfach nicht geben. Sicher, Symbiose – aber die großartigste, die man sich vorstellen kann. Das logischste Beispiel einer Symbiose überhaupt. So, als hätten sich vor langer Zeit alle auf diesem Planeten vorhandenen Lebensformen gesagt: von nun an gibt es keinen Streit mehr zwischen uns, schließen wir uns zusammen, verständigen wir uns. Und die Pflanzen, die Fische, die Bakterien …«
»Ziemlich weit hergeholt«, unterbrach ihn Kemper. »Aber wir wissen, daß so etwas durchaus möglich ist. Wenn diese Theorie stimmt, dann sind die Viecher das Endprodukt einer einmaligen Entwicklung. Es gäbe keine Parallele …«
Parson rief zum Essen. Sie standen auf und gingen. Ich kroch in mein Zelt und bereitete mir einen Diätbrei.
Ich saß vor der umgedrehten Kiste, die mir als Tisch diente, und blätterte in den Berichten. Zwischendurch aß ich meinen Brei. Die Berichte waren nur stichwortartig auf schmutzigem Papier festgehalten; sie würden später noch abgeschrieben werden müssen. Manchmal waren auf dem Papier sogar Blutflecke. Sie stammten von dem sezierten Viech.
Mit Mühe und Not gelang es mir, die Notizen zu entziffern. Schließlich kannte ich die Handschriften von Oliver und Weber. Der Bericht ergab kein vollständiges Bild – das wäre auch zuviel verlangt gewesen. Aber er bestätigte einige meiner Beobachtungen und brachte mich auf neue Gedanken.
Die Farbflecke, um ein Beispiel zu nennen, kennzeichneten die verschiedenen Fleischsorten – Fisch, Geflügel, Wild und so weiter. Ich
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